Erster November

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Da draussen ist frühe Nebelnacht,
Die hat den Tag um Stunden bestohlen,
Hat aus den Fenstern Laternen gemacht.
Ich möchte mir den Mond herholen,
Dass ich einen hätt‘, der ewig lacht,
Denn die Nacht ist wie ein schwarzes Bett.
Dort hat der Tod, wie auf Lagern aus Kohlen,
Gedankenlos als Dieb seine Ruhestätt‘.
Weiss nicht, ist die Stadt draussen klein oder gross,
Ob Menschen drin hausen, oder bin ich allein,
Denn ein jeder Tag schwarz wie der Fluss fortfloss,
Und beklagt gingen viele zur Nacht hinein.
Auch Vater und Mutter haben gefragt,
Und niemandem wurde der Weg gesagt.
Auch Vater und Mutter wurden zu Stein,
Ein Stein, der sich über dem Grabe schloss.
Drauf lese ich heut‘ ihre Namen bloss,
Nur noch die Namen sind beide mein.
Woher sie kamen, wohin sie gingen, –
Ich kann die Nacht nicht zum Reden zwingen.

 

Max Dauthendey (1867-1918) deutscher Dichter und Maler

 

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14 Antworten auf Erster November

  1. merlin sagt:

    ein sehr passender post zum heutigen tag.
    vor allem die sechs letzten zeilen berühren mich.
    das foto vermittelt zudem stille und spiegelt die vergänglichkeit.
    einen stimmigen feiertag dir und herzliche grüsse in den tag.

  2. quersatzein sagt:

    Dein Kommentar freut mich, Merlin.
    Ich denke, das Gedicht drückt die nachdenkliche Stimmung dieser Tage recht gut aus.
    Dir ebenfalls einen feinen 1. November.
    Sei herzlich gegrüsst!

  3. Edith Hornauer sagt:

    Heut, Allerheiligen… Ich war schon auf dem Friedhof, meine Mutter war katholisch, und ich habe ein Licht auf dem Grab angezündet, das Grab schon zur Ruhe hergerichtet.
    Das Gedicht passt so wunderbar dazu. Danke für dieses und für dein Foto.
    Liebe Grüße zu dir
    von mir.

  4. quersatzein sagt:

    Schön, wenn es so gut für dich passt, Edith.
    Ja, heute besuchen viele gläubige Katholiken die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen.
    Mag es ein Tag der Ruhe und inneren Einkehr sein!
    Lieben Gruss zu dir.

  5. andrea sagt:

    schön ist dieses rote ahornblatt auf grauem granitgrund … und ein schönes sinnbild, wie die kommenden wochen (monate) auch überstanden werden können. von farbtupfer zu farbtupfer hüpfend! 🙂

    in diesem sinn: einen guten start in einen guten november! 🙂

  6. quersatzein sagt:

    Das gefällt mir, Andrea: „Von Farbtupfer zu Farbtupfer hüpfend“.
    Lieben Dank und auch dir einen schönen Start in den November.

  7. PepeB sagt:

    Auch mich rührt das Gedicht sehr an, liebe Brigitte, gerade die letzten sechs Zeilen.
    Voller Erinnerungen heute
    Petra

  8. quersatzein sagt:

    Der heutige Tag weckt tatsächlich Erinnerungen und Emotionen.
    Sei herzlich gegrüsst, Petra!

  9. Hausfrau Hanna sagt:

    Berührende Zeilen,
    liebe Frau Quersatzein,
    und die letzten sechs sind es ganz besonders. Ist doch mein Vater in der Nacht von Allerseelen gestorben.
    Mit einem lieben Gruss ins Wochenende
    Hausfrau Hanna

  10. quersatzein sagt:

    Oh, dann ist das natürlich ein ganz besonderer Gedenktag für Sie, liebe Hausfrau Hanna.
    Seien Sie ebenfalls herzlich gegrüsst!

  11. Sonja sagt:

    Ein hervorragend passendes Gedicht!
    Vor kurzem wurde meine liebe Schwiegermutter zu Grabe getragen. Nun ist also auch mein Mann eine alte Vollwaise, manche sagen dazu „Willkommen im Club“ – naja .🫤
    Gruß von Sonja

    • quersatzein sagt:

      „Vollwaisen“ sind auch wir beide schon länger. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir nun die Ältesten sind im Familienverbund.
      Naja, so ist das nun mal. :–)
      Danke, Sonja und einen lieben Nachmittagsgruss zu dir.

  12. bruni8wortbehagen sagt:

    Dunkle dustere Nebelnächte…
    Ach ja, der November, gerade erst begonnen, hat es in sich. Er läßt uns im Dunkleln seelisch verhungern, wenn wir nicht aufpassen und Helles zu sehen bekommen… Dazu muß man auf die kleinsten Lichtblicke achten, denn die gibt es immer, aber die winzigen übersieht man so leicht..

    Liebe Brigitte, es ist so schade, daß ich Dich nicht abonnieren kann. Ich bin so gerne bei Dir, vergesse es aber leicht, weil so viele abonnierte sich vordrängeln. Verzeih mir, es ist keine Absicht

  13. quersatzein sagt:

    Nun ja, der November hat ja eben begonnen und hat noch genug Gelegenheit, uns auch schöne und hellere Tage zu präsentieren.
    (Heute zeigte sich am Nachmittag immerhin die Sonne für einige Zeit.)
    Ja, lass uns auf die Lichtblicke achten, selbst wenn sie nur winzig sind!

    Tja, mein Blog kann man leider nicht abonnieren, liebe Bruni, und ich abonniere auch andere Seiten aus Prinzip nicht. Aber es macht nichts, wenn du nicht jeden Tag vorbeischaust und kommentierst. Gelegentliche Besuche sind doch auch fein. :–)
    In diesem Sinne herzliche Grüsse zu dir in den ersten Novembertag hinein.

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