Archiv des Autors: Quer

Der Glücksvogel

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Es fliegt ein Vogel in dem Hain,
Und singt und lockt: man soll‘ ihn fangen.
Es fliegt ein Vogel in dem Hain,
Aus dem Hain in den Wald, in die Welt hinein,
In die Welt und über die See.
Und könnte wer den Vogel fangen,
Der würde frei von aller Pein,
Von aller Pein und Weh‘.

 

(…)

 

Adelbert von Chamisso (1781-1838) französisch-deutscher Naturforscher und Dichter
Erste von drei Strophen seines Gedichtes „Der Glücksvogel“

 

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Am See

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

1.

Im tiefen Walde einsam ruht
Der See mit dämmerblauem Schein,
Es zittert in die dunkle Flut
Des Sommers heisser Mittagsschein.

Ein Wasserröslein still erblüht
Im See so einsam, duftigrot,
Ein Schwan so einsam ihn durchzieht
Und singt sein Lied vor seinem Tod.

2.

Es blaut und glitzert im Grund der See
Zwei Schwäne darüber zogen;
Sie sangen ein Lied so süss und weh,
Es rauschten so leise die Wogen.

Ich stand am See und lauschte hinaus,
Als müsse ich ewig lauschen,
Als ob meiner Jugend toller Braus
Noch einmal vorbei muss′ rauschen.

 

 

Franz Alfred Muth (1839-1890) deutscher Geistlicher, Schriftsteller und Lyriker

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Nichts lässt sich sagen über das Blau

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Nichts lässt sich sagen über das Blau

Jeden Abend waschen wir den Geruch

der Kindheit von den Füssen. Versuchen

die Farben auseinanderzuhalten. Das Gelb

steht Nerudas Vogel zu der das Nest mit

Zitronen füllt. Gelb in Gelb. Noch die in der

Luft vergrabene Hand schöpft Wasser aus

dem Meer. Nuancen.

 

Brigitte Fuchs
Aus „Solange ihr Knie wippt“, Gedichte, edition 8, Zürich 2002
Das Gedicht lehnt sich an an Pablo Nerudas „Buch der Fragen“

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Es lacht in dem steigenden Jahr dir

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Es lacht in dem steigenden jahr dir
Der duft aus dem garten noch leis.
Flicht in dem flatternden haar dir
Eppich und ehrenpreis.

Die wehende saat ist wie gold noch,
Vielleicht nicht so hoch mehr und reich,
Rosen begrüssen dich hold noch,
Ward auch ihr glanz etwas bleich.

Verschweigen wir was uns verwehrt ist,
Geloben wir glücklich zu sein,
Wenn auch nicht mehr uns beschert ist
Als noch ein rundgang zu zwein.

 

 

Stefan George (1868-1933) deutscher Lyriker

 

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Seifenblasen

Fotos Brigitte Fuchs

 

Kinder, ihre Lust zu zeigen,
lassen Seifenblasen steigen,
Wie das schimmert im Sonnenschein,
ein’ge gross und ein’ge klein.
Die geblasen mit Durchschnittsmunde,
Hielten sich eine volle Sekunde;
Mehrere aber waren dabei,
Ja, das hielt sich bis zu zwei.
Eine stieg so hoch wie das Haus,
Da stiess sie an, da war es aus.

 

Theodor Fontane (1819-1898) deutscher Dichter und Schriftsteller

 

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Es gibt …

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Es gibt Gymnastiker der Gemütsbewegungen.

 

Gerhard Hauptmann (1862-1946) deutscher Schriftsteller und Dramatiker, Nobelpreisträger für Literatur 1912
Aus „Einsichten und Ausblicke“ Aphorismen (17. Band des Gesamtwerks)

 

 

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Ballonfahrt

 

Es steigt im frühen Morgenlicht
ein Ballon auf bei guter Sicht.

 

 

Nimmt Fahrt auf über Dorf und Wald,
fährt höher mal und tiefer bald.

 

 

Und wird er müde (nur zum Schein),
heizt ihm der Fahrer tüchtig ein.

 

 

So schwebt er lange, sanft und leicht,
bis es den Passagieren reicht.

 

Alle Fotos Brigitte Fuchs: Heissluftballon über Rothrist

 

Bald ist ein Landeplatz gefunden –
und der Ballon dem Aug’ entschwunden.

 

Brigitte Fuchs

 

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Die Musse

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Sorglos schlummert die Brust und es ruhn die strengen Gedanken.

Auf die Wiese geh ich hinaus, wo das Gras aus der Wurzel

Frisch, wie die Quelle, mir keimt, wo die liebliche Lippe der Blume

Mir sich öffnet und stumm mit süssem Othem mich anhaucht,

Und an tausend Zweigen des Hains, wie an brennenden Kerzen

Mir das Flämmchen des Lebens glänzt, die rötliche Blüte,

Wo im sonnigen Quell die zufriednen Fische sich regen,

Wo die Schwalbe das Nest mit den törigen Jungen umflattert,

Und die Schmetterlinge sich freun und die Bienen, da wandl ich

Mitten in ihrer Lust; ich steh im friedlichen Felde

Wie ein liebender Ulmbaum da, und wie Reben und Trauben

Schlingen sich rund um mich die süssen Spiele des Lebens.

 

(…)

 

Friedrich Hölderlin (1770-1843) deutscher Dichter
Erste Strophe aus seinem Langgedicht „Die Musse“

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Heranreifendes

Fotos Brigitte Fuchs: Sonnenblumenfeld – inzwischen ist es gelb!

 

 

Ein jedes Ding muss Zeit zum Reifen haben.

 

William Shakespeare (1564-1616) englischer Dichter, Dramatiker, Schauspieler und Theaterleiter

 

Früchte reifen an der Sonne, Menschen reifen durch die Liebe.

 

Julius Langbehn (1851-1907) deutscher Schriftsteller und Kulturkritiker

 

Fotos Brigitte Fuchs: heranreifende Früchte und Nüsse

 

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Der Libellentanz

Foto Brigitte Fuchs: Gebänderte Prachtlibelle

 

 

Der Libellentanz

und der Sonnenuntergang

bilden eine Welt.

 

 

Kigiku, Lebensdaten unbekannt, japanischer Haiku-Dichter
Aus „Japanische Jahreszeiten“ Tanka und Haiku aus dreizehn Jahrhunderten, Manesse Verlag, Zürich

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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