Archiv der Kategorie: Gedichte
Naturstimmen
Foto Brigitte Fuchs: Bergmassiv und Wasserfälle im Alvier-Gebiet
(…)
Ich komme her aus tiefem Waldesdunkel
So flüsterte der Bach vorüberrinnend,
Indess ich in der Wellen hell Gefunkel
Mit heisser Sehnsucht blickte still und sinnend.
Wo Demant ruht und Silber und Karfunkel
Wo Kobold waltet, Goldgewänder spinnend,
Da woget meine Nymphe still im Dunkel
Auf goldnen Stufen Tageslicht gewinnend.
(…)
Hermann Rollett (1819-1904) österreichischer Dichter und Heimatforscher
Auszug aus seinem Langgedicht „Naturstimmen. Fragment“
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Zwischen Saat und Sense
Foto Brigitte Fuchs
Das beste Werk auf Erden ist:
Korn in die Scholle säen,
Und aller Freuden vollste ist:
die schweren Maden mähen.
Rund geht der Wurf des Säemanns
und rund des Mähders Eisen,
des ganzen Lebens Auf und Ab
liegt mitten diesen Kreisen
Otto Julius Bierbaum (1885-1910) deutscher Dichter und Schriftsteller

Foto Brigitte Fuchs
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Himmel und See

Fotos Brigitte Fuchs: Hallwilersee
Tanzen möchte sie doch tunlichst
nicht auf dem Vulkan auch nicht
im Märchenschuh auf Glanzparkett
Was sie sich ertanzt sollte Handschrift
sein – blau und lesbar wie der Himmel
hinter Wolkenschiebewänden oder
wie das improvisierte Wellenspiel auf
diesem täglich neu erdachten See
Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“, Gedichte, edition 8, Zürich 2014
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Zur Drossel sprach der Fink

Zur Drossel sprach der Fink:
„Komm‘ mit liebe Drossel, komm‘ eilig, komm‘ flink!
heut‘ tanzen die Blumen im moosglatten Wald,
komm‘ mit, liebe Drossel, komm‘ eilig, komm‘ bald!

„Wir setzen uns auf die Äste,
und musizieren zum Feste
und schauen zu, wie sie tanzen, von fern,
ich habe die Blumen so gern!“

Da flogen zum Walde die zwei;
wie flogen sie eilig zum Walde, juhei!
„Frisch auf!“ rief der Fink, als die Blumen er sah;
„so tanzet nun, Drossel und Fink sind da!“

Und Fink und Drossel singen,
die Blumen den Reigen schlingen,
und tanzen froh über Tal und Höh’n
Wie tanzten die Blumen so schön!

Und als der Tanz nun aus,
da flogen der Fink und die Drossel nach Haus;
die Blumen schlossen die Kelchblätter zu,
und hielten nach fröhlichem Tage nun Ruh‘.

Als Fink und Drossel sich schieden,
so recht von Herzen zufrieden
da rief der lustige Fink noch von fern:
„Ich habe die Blumen so gern!“
Peter Cornelius (1824-1874) deutscher Komponist und Dichter

Alle Fotos Brigitte Fuchs
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Wünsche
Foto Brigitte Fuchs: Blick vom Sonnenberg bei Kriens in Richtung Uri Rotstock, Brisen und Ruchstock
Wünsche wie die Wolken sind,
Schiffen durch die stillen Räume,
Wer erkennt im lauen Wind,
Ob’s Gedanken oder Träume?
Joseph von Eichendorff (1788-1857) deutscher Dichter
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Aufbruch

Foto Brigitte Fuchs: Hinweistafeln auf dem Sonnenberg Kriens/LU
Herr Meister, lasst mich gehen.
Fürwahr: ‘s ist hohe Zeit.
Ein Jahr hab’ ich gewartet,
War mir ‘ne Ewigkeit.
Soll ich denn etwa sterben
Und sah nicht jedes Land?
Herr Meister, schnell ins Büchlein
Euern Zinken eingebrannt!…
Glückauf, du Bruder Wandrer!
Wie ist die Welt so weit!
Willst du sie auch studieren,
Lass ziehen uns zu zweit.
Im Rücken liegt die Sorge
Und was uns traurig macht.
Hast du kein Geld, so borge
Und schlaf im Feld zur Nacht…

Foto Brigitte Fuchs: Sonnenberg Kriens/LU
Wach auf! Die Gipfel glühen.
Das ist des Morgens Strahl.
Siehst du die Wasser sprühen?
Der Schnee, er rinnt zu Tal.
Schau: eine Ätherwelle
Hüllt uns nun golden ein
Und trägt uns in die helle,
Die Wunderwelt hinein.
Ernst Preczang (1870-1949) deutscher Autor der Arbeiterbewegung, Mitbegründer der „Büchergilde Gutenberg“, verliess 1933 nach der Machtergreifung Hitlers Deutschland und lebte für den Rest seines Lebens in der Schweiz.
Text aus der Sammlung „Natur und Wanderschaft“

Foto Brigitte Fuchs: Blick vom Sonnenberg, Kriens/LU
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Juni

Fotos Brigitte Fuchs: Impressionen vom Sonnenberg Kriens/LU
Wachsendes Beben
Täglich neu,
Auf den Wiesen
Duftendes Heu,
Auf den Feldern
Goldene Saat,
In der Seele
Reifende Tat,
Sonniger Himmel
Leuchtend und klar —
Stolz auf der Höhe
Prangest du, Jahr!
Otto Baisch (1840-1892) deutscher Maler und Schriftsteller

Fotos Brigitte Fuchs
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In jedes Haus
Fotos Brigitte Fuchs: Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Pfahlbauhauses (um 3000 v. Chr.)
in Seengen / AG
In jedes Haus, wo Liebe wohnt,
da scheint hinein auch Sonn und Mond,
und ist es noch so ärmlich klein,
es kommt der Frühling doch herein.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) deutscher Sprachforscher und Liederdichter
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Halbhalb
Foto Brigitte Fuchs
Mancher geniesst das Leben nur halb, so lange er es ganz hat,
und geniesst es erst ganz, wenn er’s nur halb besitzt.
Peter Rosegger (1843-1918) österreichischer Volksschriftsteller und Erzähler

Foto Brigitte Fuchs
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Jeden Morgen
Fotos Brigitte Fuchs
Jeden Morgen in meinem Garten
öffnen neue Blüten sich dem Tag.
Überall ein heimliches Erwarten,
das nun länger nicht mehr zögern mag.
Die Lenzgestalt der Natur ist doch wunderschön,
wenn der Dornbusch blüht und die Erde
mit Gras und Blumen prangert.
Matthias Claudius (1740-1815) deutscher Dichter

Fotos Brigitte Fuchs
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