Der Einsiedler

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Er hatte seit Jahren nicht mehr gesät
Verstreut noch reifte ihm das Getreide
Zuletzt liess er den Hafer ungemäht
Sein Pferd verlor sich auf der Weide.

Er brach eine Zeit noch Beeren vom Ast
Als müsste er einen Hunger stillen,
Dann vergass er auch diese letzte Last
Um seiner tieferen Ruhe willen.

Er sass vor der Hütte bei Tag und Nacht
Die Hütte verfiel in Wind und Regen
Allmählich wuchsen die Gräser sacht
Seinen Füssen und Knien entgegen

Und wuchsen langsam durch seine Hand.
Er ward wie ein Sieb, ohne Aussen und Innen.
Gleichmässig und ganz ohne Widerstand
Konnten die Jahre durch ihn rinnen.

 

Maria Luise Weissmann (1899-1929) deutsche Dichterin, die leider viel zu früh starb.

 

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28 Antworten auf Der Einsiedler

  1. waldviertelleben sagt:

    wie schön. damit könnte ich mich anfreunden.
    lieben morgengruß
    ingrid

  2. merlin sagt:

    ein langsamer abschied in und mit der natur.
    beeindruckend.
    die dichterin kannte ich nicht.
    die zeilen mit dem feinen duktus haben mich etwas an rilke erinnert.
    glg. durch den schnee und einen wärmenden tag dir.

  3. Quer sagt:

    Ja, die Gedichtzeilen sind wunderschön.
    Den Rilke-Anklang würde ich ihnen auch zubilligen.
    Danke und herzlichen Gruss in den eiskalten Schneetag.

  4. Valentina sagt:

    Lebendiges Sterben,
    eine poetische Gruselgeschichte.

    Ich lese zurzeit schöne Froschgeschichten.
    Wunderbar!
    mit liebem Gruss!

  5. Quer sagt:

    Irgendwie schon. Man kann es aber auch so lesen, dass der Einsiedler (ich stelle mir Niklaus von Flüe vor) mit der Zeit so sehr vergeistigt wird, bis alles Irdische von ihm gewichen ist und er nur noch eine Lichtgestalt ist.

    Dir viel Spass mit den Froschgeschichten. :–)
    Sei lieb gegrüsst!

  6. Eva sagt:

    Das ist ja ein wunderbarer Gedichtfund, man erlebt diese Bilder sehr lebhaft mit.

    Liebe Grüße von
    Eva

  7. Quer sagt:

    So ging es mir auch biem Lesen: Man taucht tief ein.
    Einen lieben Gruss zu dir.

  8. rosadora sagt:

    wo fängt das außen an
    und wo das innen
    schönen gruß
    rosadora

  9. sylvia sagt:

    und oben am waldrand
    ein (einzelner) mensch
    als zeuge

    lieber gruß
    Sylvia

  10. mona lisa sagt:

    Beeindruckende Zeilen über das Innen und Außen und ihre Verbundenheit.
    Werde mal schauen, was sie sonst noch geschrieben hat.
    Für mich eine Neuentdeckung.
    Sonnige Grüße aus dem kalten Speckhorn.

  11. Quer sagt:

    Du findest sicher noch das eine oder andere von ihr im Internet.
    Es ist wirklich sehr beeindruckend, was sie in ihren jungen Jahren schrieb.
    Lieben Gruss mit Schnee und einer Sonne, die bisher vergeblich versucht, die Szene aufzuhellen.

  12. Stefanie Rabenschlag sagt:

    Liebe Brigitte, das ist ein wunderbares Gedicht! Danke für’s Finden!

  13. Quer sagt:

    Freut mich, Stefanie, dass ich dir etwas Schönes Präsentieren konnte.

  14. Gerhard sagt:

    Ganz große Klasse!
    Das gefiel mir schon von den ersten Zeilen her 🙂

    Lieben Abendgruss
    Gerhard

  15. Quer sagt:

    Da sind wir ja mal wieder einer Meinung. :–)

    Ebenfalls lieben Abendgruss.

  16. Sonja sagt:

    Was für eine feine alte Ollhütte…
    Das dazu ausgewählte Gedicht: auch gut. Passt scho!
    Gruß von Sonja

  17. Quer sagt:

    Ja, solche Uraltbauten sind einfach anrührend.
    Lieben Valentinstagsgruss zu dir.

  18. mano sagt:

    wunderbar zu lesen und den gedanken, dass die gräser und blumen einmal durch mich hindurchwachsen, finde ich tröstlich.
    schönen sonntagsgruß
    mano

  19. Quer sagt:

    Ja, das ist eine nette Vorstellung.
    Einen schönen Sonntag dir!

  20. Syntaxia sagt:

    Traurigschön! Wenn man so vergehen kann, dann ist das wünschenswert.

    Liebe Grüße aus der Kemenate – leider nicht Einsiedelei,
    Syntaxia

  21. Quer sagt:

    Ja, es liest sich schön.
    Ob ich das auch möchte – eher nicht. :–)

    Lieben Gruss zu dir aus der warmen Schreibstube.

  22. Maren+Wulf sagt:

    So schön – das Gedicht, aber auch dein Foto dazu!

  23. Quer sagt:

    Freut mich, dass dir beides gefällt.
    Lieben Sonntagabendgruss.

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