Die Ruinen

Foto Brigitte Fuchs: Alle Bilder zeigen die Ruine Neu-Falkenstein bei Balsthal im Kanton Solothurn

 

»Ach, wie ungemein poetisch
Die Ruinen auf den Höhn!«
Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch;
Ja, Ruinen, sie sind schön.

Und das Fräulein, drob geschmeichelt.
Fährt in der Extase fort,
Während sie den Bulldog streichelt:
»Wie poetisch ist es dort!

 

Foto Brigitte Fuchs

 

Grüner Wald, das ew’ge Leben,
Immer sprossend, immer jung!
Und der greise Stein daneben:
Träumende Erinnerung!

Epheu schlingt sich um die Blösse,
Will sie grün erhalten noch;
O du Bild zerfallner Grösse,
Wie poetisch bist du doch!«

 

Foto Brigitte Fuchs

 

Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch,
Sie empfinden schön und wahr,
Und Sie sagen’s so pathetisch,
Dass es selber mir wird klar.

Ja, ich sehe: auf den Höhen
Sind nur noch Ruinen da!
Wo die alten Zwinger stehen,
Rauscht der Wald Hallelujah!

 

 

Foto Brigitte Fuchs

 

In die Burgen der Tyrannen
Drang der Geist zerstörend ein,
Trieb die Räuberbrut von dannen,
Warf hinunter Stein auf Stein.

Heil’ger Geist, du ein’ge Dreiheit,
Gott im Menschen, habe Dank!
Auf den Bergen nur ist Freiheit!
Nur im Thal herrscht noch der Zwang.

 

Foto Brigitte Fuchs

 

Heiser schreien dort die Raben
Um den Schutt der Tyrannei,
Ihre Knochen sind begraben,
Und der Geist, der Geist ist frei!

Ja, mein Fräulein, Gottvertrauend
Schau‘ ich auf die stolzen Höhn!
Hochpoetisch, Herzerbauend
Sind Ruinen, wunderschön!

 

Foto Brigitte Fuchs

 

Wunderschön die düstern Mienen
Durch das grüne Laubgewind!
Doch das Schönste an Ruinen
Ist, dass sie Ruinen sind.

 

Adolf Glassbrenner (1810-1876) deutscher Humorist und Satiriker
Gedicht aus der Sammlung „Verbotene Lieder“
gefunden im Internet

 

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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25 Antworten auf Die Ruinen

  1. Ingrid sagt:

    hübsche bilder und reime!
    herzlichmorgengrüße zu dir

  2. Quer sagt:

    Danke, Ingrid.
    Und fröhliche Morgengrüsse zu dir.

  3. merlin sagt:

    🙂 herrliche bilder und schmunzelzeilen 🙂
    ein ruinenminnesänger?
    wünsche dir einen frohen tag!
    glg.

  4. Quer sagt:

    Ruinenminnesänger, wie schön!
    Ich mag seinen feinen Humor.
    (Deinen übrigens auch.)
    Wünsche dir auch einen fröhlichen Tag!

  5. Valentina sagt:

    Eine herrliche Zeitreise einer Zeitreise bescherst du uns heute morgen, liebe Brigitte. Schön dass es Ruinen gibt und Poet und Poetin ihnen Leben einhauchen.
    Lieben Gruss.

  6. nima sagt:

    Ruinen haben wirklich immer etwas besonderes an sich – was die schon alles erlebt und gesehen haben?! Ich freu mich immer, wenn wir bei einer Wanderung an einer vorbei kommen …

    Alles Liebe in deine Wochenmitte,
    nima

    • Quer sagt:

      Das stimmt, Nima: Bei dir habe ich auch schon herrliche steinerne Überbleibsel gesehen auf den Bildern zu euern Wanderungen.
      Alles Liebe und schöne Grüsse auch zu dir.

  7. PepeB sagt:

    Zwei die sich in Sachen Ruinenpoesie gut verstehen!
    Und eine Bulldogge ist auch dabei, sehr nett!
    Danke für das Schmunzelgedicht und die ungewöhnlichen Zeilen,
    liebe Grüße
    Petra

  8. Quer sagt:

    Fein, dass ich dich damit erheitern konnte, Petra.
    Liebe Grüsse in einen hoffentlich erfreulichen Tag.

  9. Hausfrau Hanna sagt:

    In solchen,
    liebe Frau Quer,
    Ruinen stecken in der Tat düstere und ungeheure Geschichten…
    Bei unserer Ruine in der Kindheit stand (und steht wohl immer noch) eine Tafel, auf der mit folgenden Worten um eine Gabe für Renovationsarbeiten gebeten wurde:
    „Alt und morsch ist das Gemäuer –
    und sein Unterhalt ist teuer!“

    Herzliche Grüsse in den Mittwoch
    Hausfrau Hanna

    • Quer sagt:

      Oh ja, das stimmt, liebe Hausfrau Hanna.
      Solche alten Gemäuer und Anlagen sind sehr teuer im Unterhalt.
      Und auch bei dieser geschichtsträchtigen Stätte hing ein „Kässeli“ mit der Bitte um Spenden.

      Herzliche Grüsse zu Ihnen.

  10. Anna-Lena sagt:

    Alt, ehrwürdig und doch so voller zeitgemäßer Gedanken. Ein schöner Ausflug mit dir am Mittwochmorgen.

    Herzlichen Gruß,
    Anna-Lena

  11. Quer sagt:

    Das freut mich, Anna-Lena: Es war mir ein Vergnügen!

    Ebenfalls herzlichen Gruss.

  12. Gerhard sagt:

    Diese Ruinenreime sind ja richtige Schäume 🙂

    Bei dem Sätzchen:
    „Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch“
    denke ich eher an Schätzlein. Oder es fehlt das Wort …anzuschauen. 🙂

    Schönen Gruß
    Gerhard

    • Quer sagt:

      Ja, nette Wortschäume zum Schmunzeln.
      Und Gereimtes muss sich auch nicht immer stur an die Grammatik halten. 🙂

      Schönen Gegengruss.

  13. Sonja sagt:

    War dir nach Ballade?
    Es klingt so. Es gefällt mir, das Ruinenwerkchen!
    Gruß von der Weintraube

  14. Quer sagt:

    Genau: Warum nicht mal eine Ballade.
    Und die kam mir in ihrer ironisch-sympathischen Art sehr entgegen. 🙂
    Sei lieb gegrüsst, Weintraube!

  15. Britta sagt:

    Ich finde Ruinen haben oft etwas mystisches und ehrfürchtiges…und Freigeister mochte ich schon immer:-) Wunderbare Bilder zeigst du uns dazu!
    heitere Grüsse Britta

    • Quer sagt:

      Da gebe ich dir gerne Recht, Britta.
      Nicht umsonst werden diese alten Gemäuer von vielen Sagen und Schauergeschichten umwoben.

      Danke und liebe Grüsse.

  16. Syntaxia sagt:

    Diese Ruine sieht recht groß aus und bietet bestimmt viel Stoff für allerlei Gereimtes und Ungereimtes. Mir sind eigene Fantasien da oft lieber als die echte alte Geschichte. Meist ist die eher unschön.

    Liebe Grüße,
    Syntaxia

  17. Quer sagt:

    Das vermute ich auch, Syntaxia. Es sind in der Regel rabiate Haudegengeschichten. 🙂

    Einen lieben Abendgruss zu dir.

  18. Sylvia sagt:

    als wir mit dem schiff auf dem rhein fuhren, runter und rauf, rauf und runter – der mittelrhein zeigte so viele burgruinen, dass man’s irgendwann müde wurde – und trotzdem nicht aufhören konnte zu schauen… phantasien, burgfräulein, ausbeuter, wegezoll – es ging immer weiter, die vergangenheit kam nahe und manchmal dachte ich: viel anders ists heut auch nicht…
    gut-nacht-grüßele
    Sylvia

  19. Quer sagt:

    Das stimmt sicher, Sylvia. Heute läuft das ziemlich ähnlich unter leicht geänderten Vorzeichen.
    Danke für deine ernsthaften Zeilen.
    Ein Guten-Morgen-Grüessli zu dir in den Norden.

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