Am Opferherd

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Komm an mein Feuer, mein Weib,
es ist kalt in der Welt.
Komm an mein Feuer und lege
dein Ohr an mein Herz.
Komm an mein Feuer und mache aus meinen Händen
eine leuchtende Schale für die Wärme
die wir – o wir, mein Weib – verschwenden
an die Welt …

 

 

Richard Dehmel (1863-1920) deutscher Schriftsteller und Lyriker

 

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26 Antworten auf Am Opferherd

  1. merlin sagt:

    interessanter titel.
    wie diese botschaft bei den leserinnen im blog ankommt, nimmt mich wunder. wie liest sich das als frau?
    das anliegen von r.dehmel ist zeitlos aktuell, aber der ton heute für mich eher grenzwertig.
    einen herzlichen morgengruss.

  2. Quer sagt:

    Danke für deine Einschätzung, Merlin.
    Bei mir kommt das (mal abgesehen vom Titel, den ich nicht verstehe) als kraftvolle und innige Liebeserklärung an.
    „Komm an mein Feuer“ finde ich schöner als „Komm an mein Herz“ und am Wort Weib störe ich mich auch nicht. Das war damals der gängige Ausdruck für Frau oder „meine Liebe“.
    Besonders schön und poetisch finde ich die Wendung: „mache aus meinen Händen / eine leuchtende Schale für die Wärme“.
    Nein, grenzwertig finde ich seinen Ton nicht. Aber ich bin auch gespannt, wie andere LeserInnen das empfinden.
    Dir einen guten Tag und herzlichen Retourgruss.

    (Noch zum Titel: Ob man ihn so lesen könnte: „Wir bringen unsere Liebe als Opfergabe dar – auch für die Welt.“)

  3. Eva sagt:

    Mir kommt beim Lesen ein weiteres Gedicht von Dehmel in den Sinn, „Befreit“, das Richard Strauss vertont hat, und das ekstatisch den Tod einer jungen Frau verklärt auf eine Weise, die mir seit vielen Jahren nachgeht und nicht losläßt. Ich glaube, Dehmel hatte eine Vision archetypischer Lebensvorgänge – Geburt, Liebe, Tod – , die uns heute befremden kann, aber auf mich auch eine seltsame Anziehungskraft ausübt, als sei uns etwas verloren gegangen.

    Liebe Grüße von Eva

  4. Quer sagt:

    Das ist eine wunderbare Ergänzung, Eva.
    Ich habe das Gedicht „befreit“ eben gelesen und bin tief berührt.
    Ja, dein Zugang zum Autor bringt mehr Klarheit und hilft enorm beim Verstehen des Poems.
    Lieben Dank und herzlichen Gruss.

  5. Valentina sagt:

    Das Gedicht ist schön.
    Worte, getränkt von Sinnlichkeit, Leidenschaft und Liebe. Männlichkeit und Weiblichkeit verschmelzen sozusagen zu einem kraftvollen Ganzen, das Liebe verbreiten und verschwenden kann.

    Das Paar auf dem Bild drückt diese Intensität zwar nicht aus und
    was der Titel soll ist mir ein Rätsel.

    Danke und lieben Gruss!

  6. Quer sagt:

    Auch dir ein Dankeschön für deine Herangehensweise, Valentina.
    Es ist ja doch so, dass jede Lesart eines Gedichtes individuell und sehr persönlich ist. Die jeweiligen Empfindungen und Bewertungen können sich sehr stark unterscheiden. – So ist es vielleicht auch bei Bildern…

    Das Paar auf dem Foto, das sich liebevoll umarmt, drückt für mich sehr wohl eine Innigkeit aus, die mich anrührte.

    Dir einen feinen Tag und lieben Gruss.

  7. PepeB sagt:

    Für mich ruft hier das Männliche das Weibliche zum Opferherd (ein Altar auf dem früher etwas als Opfer für verbrannt wurde). Nur gemeinsam verwandelt sich das ungerichtete Feuer zu Wärme, die so überbordend ist, das sie die Welt mit erwärmt … Eine ungewöhnliche und intensive Ode an die Liebe, Verschmelzung aus dem etwas Drittes entsteht.
    Herzliche Grüße
    Petra

    • Quer sagt:

      Auch deine Interpretation gefällt mir, Petra.
      Ja, den Göttern wurden einst Gaben geopfert und auf dem Altar verbrannt – warum nicht auch die Liebe …
      Daraus müsste dann ja ein Mehrwert für die Welt entstehen. Das leuchtet ein.

      Einen lieben Retourgruss zu dir.

  8. Gerhard sagt:

    Ich stiess mich auch etwas am Wort „Weib“, als wenn das Weibliche das wichtigste (und einzigste) wäre am Gegenüber. Andererseits ist das Weibliche ja auch das, was dem Manne fehlt. Erst in unseren Tagen arbeitet man in Therapien daran, Weibliches und Männliches zu verschmelzen, also beide Energieströme zu vereinen/zu versöhnen.
    Einer kalten Welt durch die gemeinsame Liebesschale Wärme spenden/verschwenden klingt für mich töricht. Denn WEltraumkälte schluckt diese weg wie nichts.
    Dann ist eher ein rituelles Vorgehen gemeint: Am Opferherd bringt man diese Liebesglut als Gabe dar – und sei sie auch verschwendet – sie wurde zumindest sichtbar/momentan dargebracht/gespendet.

    Liebe Grüsse
    Gerhard

    • Quer sagt:

      Es ist so spannend, Gerhard, hier in den Kommentaren so viele Deutungs- und Erklärungsvarianten zu lesen. Und alle sind sie plausibel und auf ihre Art zutreffend.
      Danke auch für deine wohldurchdachten Ausführungen.
      Sei lieb gegrüsst!

  9. Gerhard sagt:

    Eine rituelle Wärmung der Welt durch die Glut der Liebe

  10. Quer sagt:

    Sehr schön und passend!

  11. seelenruhig sagt:

    Ich finde das einfach schön!!

  12. Quer sagt:

    Das genügt ja auch. Und ich bin ganz bei dir, Ellen.
    Lieben Gruss.

  13. Andrea sagt:

    sehr spannend ist es, die vielen deutungen zu lesen. ich kann einer jeden etwas abgewinnen. 🙂
    ich habe ein paar probleme mit dem ton des gedichtes, weils für mich halt recht schnell zu expressiv (in richtung hypertroph) wird, was aber eine sache persönlicher vorlieben ist. und ich stoße mich an den vielen, „mein“ und eine entfernte (eine ganz entfernte) erinnerung an horvaths geschichten aus dem wiener wald taucht auf, wo der fleischermeister zu der frau, die er zu seiner haben will, sagt: meiner liebe wirst du nicht entgehen.

    gern mag ich hingegen das wort „weib“, weil es in diesem zusammenhang eine kräftige weiblichkeit bedeutet. keine frau, die der mann schützen müsste. als obs die archtypen von mann und frau wären, beide in ihrer ganzen kraft stehend und als solche gut für die welt. bei allen einschränkungen, die ich oben erwähnt habe, ist überwiegt dieser eindruck. 🙂

    das foto passt sehr schön dazu, finde ich.

    liebe grüße, andrea

    • Quer sagt:

      Danke, Andrea. Ich kann auch deiner Deutung viel abgewinnen. Sie beleuchtet den Text nochmals von einer anderen Seite.
      Leidenschaft, Überschwang und Sinnlichkeit wurden Dehmel ja bereits zu Lebzeiten zugeschrieben. Sie sind auch hier zu spüren.

      Ein Dankeschön und herzliche Grüsse zu dir.

  14. finbar sagt:

    An sich schön, liebe Brigitte, dieses Poem, nur stoße ich mich wie Gerhard auch an dem Wort Weib in diesem Kontext …
    Liebe Morgengrüße
    vom Finbar

    • Quer sagt:

      Merci, Lu.
      Mich stört das Wort Weib hier nicht, weil es zur damaligen Zeit keineswegs abwertend gebraucht wurde, sondern die „holde“ oder auch kraftvolle Weiblichkeit meinte.
      Lieben Nachmittagsgruss.

  15. Gundel Wismar sagt:

    Das Wort „Weib“ tritt oft in Verbindung mit Männern auf, die vom Weibe etwas fordern.
    Es kann aber auch liebevoll gemeint sein.
    (Ein liebevolles Miteinander aller würde die Welt besser machen, ohne Krieg und so..)
    Lieber Gruß (; 🍀
    Gundel

  16. Quer sagt:

    Du sagst es, Gundel. Ein liebevolles Miteinander war damals schon und ist heute genauso eine wunderbare Sache. Es würde in der Gesellschaft vieles zum Besseren wenden.
    Dir einen schönen Tag und liebe Grüsse.

  17. Sonja sagt:

    Komisch, als erstes fiel mir ein, wie oft ich als junges Mädchen eine Blasenentzündung hatte. Wie doof.
    Dabei sieht man und liest man doch ganz anderes…viel, viel Erfreulicheres…
    Liebe Nachtgrüße von
    Sonja

    • Quer sagt:

      Die sporadischen Blasenentzündungen hatte ich erst als gestandene Frau und Mutter.
      (Sehr schmerzhaft und unangenehm.)
      Ja, denken wir lieber an Erfreuliches!
      Lieben Morgengruss.

  18. Rosi sagt:

    ich finde das Gedicht sehr schön
    man muss ja auch die Zeit bedenken in der es geschrieben wurde

    hoffentlich haben sich die Beiden da nicht etwas verkühlt 😉

    liebe Grüße
    Rosi

  19. Quer sagt:

    Genau so habe ich es mir auch erschlossen, Rosi.

    Und das mit der Erkältung ging Sonja und mir auch durch den Kopf.
    Ich denke, sie sind nicht lange da gesessen …
    Lieben Gruss zu dir.

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