Archiv der Kategorie: Gedichte
Triangel
Fotos Brigitte Fuchs
Triangel
Ein Regen fällt ein Finger fährt über
die Pfirsichhaut des Tages
So leicht lässt sich die Ruhe bewahren
wer hätte das geahnt –
langanhaltende Glanzlichttöne hallen
von Gasse zu Gasse
Brigitte Fuchs
Aus „Musik von weit her“, Gedichte, edition 8, Zürich 2020
Fotos Brigitte Fuchs
Herbst naht
Foto Brigitte Fuchs
Herbst naht, der Storch verlässt uns bald,
Hier wird’s dem Armen ja zu kalt,
Drum fliegt er fort in weite Fern‘,
Die warme Sonne hat er gern.
Der Storch, der hat für seinen Flug
In ferne Länder Grund genug,
Doch nie, mein Schatz, hab‘ ich erfasst,
Warum du mich verlassen hast!
(…)
Sándor Petöfi (1823-1849) ungarischer Schauspieler, Soldat, Student und Dichter (Er starb vermutlich auf dem Schlachtfeld, wurde allerdings nie gefunden.)
Erste Strophen seines Gedichtes „Herbst naht“
Foto Brigitte Fuchs: Störche am Lützelsee
An die Herren Amtsgenossen
Foto Brigitte Fuchs: Das „Zimmer Prof. Fuchs“ im Schloss Wartenfels in Lostorf
Siehe auch: https://schloss-wartenfels.ch/de/tour/zimmer-professor-fuchs/
An die Herren Amtsgenossen
Nur unter uns! – Ganz leise!
Beileib‘ verratet’s nicht:
Es ist nicht alles weise,
Was ein Professor spricht!
Es bleibe dieses Reimnis
Gestrenges Amtsgeheimnis!
Felix Dahm (1834-1912) deutscher Professor für Rechtswissenschaften, Schriftsteller und Historiker
Foto Brigitte Fuchs: Zimmer Prof. Fuchs im Schloss Wartenfels, Lostorf
Nochmals eine Schlossbesichtigung
Schloss Wartenfels in Lostorf, Kanton Solothurn
Aus weissen Wolken
baut sich ein Schloss.
Spiegelnde Seen, selige Wiesen,
singende Brunnen aus tiefstem Smaragd!
In seinen schimmernden Hallen
wohnen
die alten Götter.
Noch immer,
abends,
wenn die Sonne purpurn sinkt,
glühn seine Gärten,
vor ihren Wundern bebt mein Herz
und lange … steh ich.
Sehnsüchtig!
Dann naht die Nacht,
die Luft verlischt,
wie zitterndes Silber blinkt das Meer,
und über die ganze Welt hin
weht ein Duft wie von Rosen.
Arno Holz (1863-1929), deutscher Dichter und Dramatiker
Ach, wie ihr heimlich vergeht!
Foto Brigitte Fuchs: Wasserspiegelung
Ach, wie ihr heimlich vergeht!
Wer hat es verstanden,
dass ihr den Nachen gedreht
ohne zu landen?
Keiner erfasst es. Wo singt
rühmend ein Mund?
Alles vertaucht und ertrinkt,
drängt sich am Grund.
Darüberhin treibt uns der Schwung,
wie das Gefäll ihn leiht …
Nichtmal zur Spiegelung
bleibt uns Zeit.
Raine Maria Rilke (1875-1926) österreichischer Erzähler und Lyriker
In seiner Fülle
Fotos Brigitte Fuchs
In seiner Fülle ruhet der Herbsttag nun,
Geläutert ist die Traub und der Hain ist rot
Vom Obst, wenn schon der holden Blüten
Manche der Erde zum Danke fielen.
Und rings im Felde, wo ich den Pfad hinaus,
Den stillen, wandle, ist den Zufriedenen
Ihr Gut gereift und viel der frohen
Mühe gewähret der Reichtum ihnen.
Vom Himmel blicket zu den Geschäftigen
Durch ihre Bäume milde das Licht herab,
Die Freude teilend, denn es wuchs durch
Hände der Menschen allein die Frucht nicht.
(…)
Friedrich Hölderlin (1770-1843) deutscher Dichter
Anfangsstrophen aus seinem Langgedicht „Mein Eigentum“
Der Berggeist
Foto Brigitte Fuchs: Churfirsten
(…)
Dort, wo die Kötschach brauset,
Der alte Berggeist hauset,
Der Geist vor Menschen scheu,
Ihn selber siehst du nimmer
Im öden Felsgetrümmer,
Doch seine Spur stets neu.
An langen Tales Ende
Erheben sich die Wände
Des hohen Tischlkar;
Da liegt sein weisses Bette,
Ein Schmuck der Bergeskette
Schon viele tausend Jahr.
(…)
Gustav Theodor Fechner (1801-1887) bedeutender deutscher Gelehrter (Physiker, Mediziner, Naturphilosoph, Begründer der Psychophysik)
Aus „Berglieder“ 1 – 14
Foto Brigitte Fuchs
Die Churfirsten. Fotografiert habe ich sie durch die Seitenscheibe des Autos, deshalb erschien ganz zufällig der reflektierte „Berggeist“.
Waldlieder
Fotos Brigitte Fuchs
(…)
Also streicht die alte Geige Pan der Alte laut und leise,
Unterrichtend seine Wälder in der alten Weltenweise.
In den sieben Tönen schweift er unerschöpflich auf und nieder,
In den sieben alten Tönen, die umfassen alle Lieder.
Und es lauschen still die jungen Dichter und die jungen Finken,
Kauernd in den dunklen Büschen sie die Melodien trinken.
Gottfried Keller (1819-1890) Schweizer Schriftsteller, Dichter und Politiker
Auszug aus dem Gedicht „Waldlieder I und II“
Blick auf die Burg
Fotos Brigitte Fuchs
Burg und Festung Aarburg
Die Festung Aarburg ist eine historische Festungsanlage, die sich auf einem Felsen oberhalb des Städtchens Aarburg im schweizerischen Kanton Aargau befindet. Sie wurde im 12. Jahrhundert als Burg gegründet und im 17. Jahrhundert zu einer grossen Festung ausgebaut. Heute dient sie als Jugendheim für straffällige Jugendliche.
So schön die breite Burg das Stadtbild krönt,
erst heut ist von der alten Brücke Borden,
was uns des mächtigen Schlosses Blick verschönt,
mir in der Sommersonne klar geworden.
Zu Füssen dem gewaltigen Bauwerk steht
und unterbricht der Mauern kalte Säume
fast jugendlich, vom Leben hingeweht,
das dichte Wipfelgrün einsamer Bäume.
Der Burg Erbauer, ihr seid lange Staub
und euer Irdisches zerfiel in Stücken,
doch euer Ewiges ward Stamm und Laub,
um euer Werk zu schützen und zu schmücken.
Hugo Salus (1866-1929) böhmischer Dichter und Novellist
Fotos Brigitte Fuchs: Besuch und Führung auf der Festung Aarburg
Fächeln und lächeln
Foto Brigitte Fuchs
(…)
Ja, das möchste!
Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten –
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.
Etwas ist immer.
Tröste dich
Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Dass einer alles hat –
das ist selten.
Kurt Tucholsky (1890-1935) deutscher Jurist, Journalist, Schriftsteller und Satiriker
Letzte Strophen aus seinem Langgedicht „Das Ideal“