Archiv der Kategorie: Gedichte
Herbstliches Spiel
Fotos Brigitte Fuchs: Heiternplatz Zofingen
Herbstliches Spiel
Der Herbst spielt eine Partie «Mensch
ärgere dich nicht» mit den Brunnen der Stadt
platziert da und dort seine Hütchen rückt
jeden Tag ein paar Felder weiter immer sind
seine Figuren im Vormarsch manchmal würfelt
der Wind mit rückt die Partie zurecht schickt
die Konkurrenten zurück an den Start
Brigitte Fuchs

Foto Brigitte Fuchs: Brunnen auf dem Heiternplatz Zofingen
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Erster November

Foto Brigitte Fuchs
Da draussen ist frühe Nebelnacht,
Die hat den Tag um Stunden bestohlen,
Hat aus den Fenstern Laternen gemacht.
Ich möchte mir den Mond herholen,
Dass ich einen hätt‘, der ewig lacht,
Denn die Nacht ist wie ein schwarzes Bett.
Dort hat der Tod, wie auf Lagern aus Kohlen,
Gedankenlos als Dieb seine Ruhestätt‘.
Weiss nicht, ist die Stadt draussen klein oder gross,
Ob Menschen drin hausen, oder bin ich allein,
Denn ein jeder Tag schwarz wie der Fluss fortfloss,
Und beklagt gingen viele zur Nacht hinein.
Auch Vater und Mutter haben gefragt,
Und niemandem wurde der Weg gesagt.
Auch Vater und Mutter wurden zu Stein,
Ein Stein, der sich über dem Grabe schloss.
Drauf lese ich heut‘ ihre Namen bloss,
Nur noch die Namen sind beide mein.
Woher sie kamen, wohin sie gingen, –
Ich kann die Nacht nicht zum Reden zwingen.
Max Dauthendey (1867-1918) deutscher Dichter und Maler
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Poem
Foto Brigitte Fuchs
Es hat uns oft noch nach Mitternacht in die lauschigen Schenken getrieben.
Die dumme Sehnsucht nach Wundern gab keine Ruh,
Und wir wären so gern, ach so gern noch sitzen geblieben –
Aber man machte schon zu!
In den Gartencafés hat’s uns zu blonden Mädchen getrieben.
O wie im Zauber so schön war oft so ein herbstliches Rendezvous …
Und wir wären so gern noch bei einer sitzen geblieben –
Aber man schloss die Herztür schon zu!
Nun ist’s viel zu spät schon, um noch weiter dies Leben zu üben –
Wie liebten wir alle dies bittre, bittre Getu!
Und man wär so gern doch ewig sitzen geblieben …
Aber man machte schon zu!
Jakob Haringer (1898-1948) deutscher Schriftsteller
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Weg
Foto Brigitte Fuchs
Jeder Weg ist schön, auf den ein wenig Licht fällt.
Paul Steinmüller (1870-1940) deutscher Autor
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Der Abend
Fotos Brigitte Fuchs
Schweigt der Menschen laute Lust:
Rauscht die Erde wie in Träumen
Wunderbar mit allen Bäumen,
Was dem Herzen kaum bewusst,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.
Joseph von Eichendorff (1788-1857) deutscher Dichter und Schriftsteller
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Zu dir
Foto Brigitte Fuchs
Sie sprangen aus rasender Eisenbahn
Und haben sich gar nicht weh getan.
Sie wanderten über Geleise,
Und wenn ein Zug sie überfuhr,
Dann knirschte nichts. Sie lachten nur.
Und weiter ging die Reise.
Sie schritten durch eine steinerne Wand,
Durch Stacheldrähte und Wüstenbrand,
Durch Grenzverbote und Schranken
Und durch ein vorgehaltnes Gewehr,
Durchzogen viele Meilen Meer. –
Meine Gedanken. –
Ihr Kurs ging durch, ging nie vorbei.
Und als sie dich erreichten,
Da zitterten sie und erbleichten
Und fühlten sich doch unsagbar frei.
Joachim Ringelnatz (1883-1934) deutscher Dichter und Erzähler, Maler, Kabarettist und Seefahrer
Aus „Flugzeuggedanken“ 1929
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Neues Leben
Foto Brigitte Fuchs: Herbst am Bodensee bei Rorschach
Still und hell ist mein Gemüt,
Wie im Herbst ein Sonnentag,
Und doch fühl‘ ich, daß im Innern
Wie durch Lenzes Zauberschlag
Eine junge Schöpfung blüht.
Hast du noch nicht ausgeglüht,
Meiner Jugend Sonnenschein,
Und wenn jetzt der Winter käme,
Würd‘ er mir in Blüten schnein,
Wie im ewigjungen Süd?
(…)
Paul Heyse (1830-1914) deutscher Schriftsteller und Nobelpreisträger 1910
Zwei von vier Strophen des gleichnamigen Gedichts

Foto Brigitte Fuchs
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Blattgold
Foto Brigitte Fuchs
Gegen Asymmetrie hat sie
nichts einzuwenden
zumal ihr der Herbst
neuerdings Avancen macht
Blatt für Blatt
auf diesem schiefbeinigen
Blechtisch im
Restaurantgarten
Mit Fotos lässt sich wenig
erklären auch nicht
mit einer Handvoll Ahornlaub
in Bronze und Gold
Lieber hält sie sich
an die Rätsel der Bäume
die der Wind löst um sie später
vom Platz zu fegen
Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“ Geichte, edition 8, Zürich 2014

Foto Brigitte Fuchs
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Die Berge zum Greifen
Foto Brigitte Fuchs: Katzenkrüge (wie unserer damals in der Kindheit), gesehen im Landhaus Ettenbühl
Bisweilen kehren die Dinge wieder
an ihren angestammten Platz zurück
alte Dias hinter Glas der Keramikkrug
in Katzenform die Pinien der Zeltplatz
am Meer eine lose Zeile aus Vaters
Werkstatt: Sei dir nicht mehr fremd als
nötig! Da seh ich dann alles sehr nah
was uns war die Kindheit ein Spiel eine
Hüpfburg die Berge zum Greifen und
der Stein in der Faust ein Versprechen
Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“ Gedichte, edition 8, Zürich 2014

Foto Brigitte Fuchs: Die Churfirsten, vom Walensee aus fotografiert.
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Komm …
Fotos Brigitte Fuchs:
Landhaus Ettenbühl mit englischem Flair in Bad Bellingen-Hertingen, das wir auf der Reise nach Badenweiler besichtigt haben.
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade ·
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb · das weiche grau
Von birken und von buchs · der wind ist lau ·
Die späten rosen welkten noch nicht ganz ·
Erlese küsse sie und flicht den kranz ·
Vergiss auch diese letzten astern nicht ·
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
Stefan George (1868-1933) deutscher Dichter

Fotos Brigitte Fuchs: Landhaus Ettenbühl mit Gartenanlagen
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