Archiv der Kategorie: Gedichte
Annäherung an Paul Klee
Fotos Brigitte Fuchs – anlässlich eines Besuches des Zentrums Paul Klee in Bern
I
Was jagen die Menschen dahin,
wie die Wellen vor dem Sturm?
Wer bläst sie an, welcher Wind?
Der Wind ihrer Wünsche bläst sie an.
Aber ihre Wünsche sind eitel.
Ich bin ein Schiffer über ihnen.
Mein Schiff ist stark
und bringt mich ans Ziel.
Es rudert die leuchtende Hoffnung
der schönsten Insel zu.
Ach, wie gewaltig brandet es da,
fast sinkt mein Mut.
Sollte hier zerschellen mein Bestes,
sag an Du leuchtende Hoffnung?
Nein, ich bin jung
und mein Arm ist gut.
Ich muss die Insel gewinnen,
und wären dort die grössten Berge,
und hiesse ihr höchster Einsamkeit.
Wohlan du freier Hauch dort oben.
Wohlan du Gischt der Brandung.
(…)
Paul Klee (1879-1940) deutscher Maler und Grafiker,
der auch in der Schweiz lebte
Der erste des zweiteiligen Gedichtzyklus „Was jagen die Menschen dahin“ aus dem Jahre 1901
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Aufwind
Fotos Brigitte Fuchs: Lüscherz am Bielersee
Frischer Wind um alte Bäume die Frauen
laufen mit Hunden die Hunde mit Herrchen
die Herrchen auch schon mal mit
Kinderwagen zur Lieblingsstelle am See
da spiegeln sich reines Wasser und reine
Neugier ein paar Segler nehmen Fahrt auf
hoch über den Masten der Kreischalarm
und die Wendemanöver der Möwen
Brigitte Fuchs
Aus „Musik von weit her“, Gedichte, edition 8, Zürich 2020

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Im Sommerwald
Foto Brigitte Fuchs
Im Sommerwald, wo sich die Blätter drücken,
Liegt Sonnenschein in kleinen Stücken,
Drinnen die Mücken schweben und rücken.
Ich muss mich unter die Stille bücken.
Vor den finstern Tannenlücken
Sah ich einen Schmetterling weiss wie einen Geist aufzücken.
Der Wald riecht nach Kien und ist heiss.
Vielleicht hat hier ein Herz gebrannt und nur der Wald davon weiss.
Max Dauthendey (1867-1918) deutscher Dichter und Maler

Foto Brigitte Fuchs
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Ritual

Foto Brigitte Fuchs
Von nichts als von Pfirsichfarbe
wach werden. Siehst du. Jetzt
bin ich schon über das Gröbste
hinaus. Und vergleiche. Eins mit
dem anderen.
Pfirsichfarbenes. Die Ideen
laden Früchte ab. Ich versuche
mir den Schnee anders als weiss
vorzustellen. Guten Morgen.
Sagen sich die Füchse. Das auch.
Brigitte Fuchs
Aus „Suchbild mit Garten“ Gedichte, Kukuruz Verlag, Lüchingen 1998 (Der Lyrikband ist vergriffen)
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Höhenflug
(…)
Up, up the long, delirious, burning blue
I’ve topped the wind-swept heights with easy grace.
Where never lark, or even eagle flew —
And, while with silent, lifting mind I’ve trod
The high untrespassed sanctity of space,
– Put out my hand, and touched the face of God.

(…)
Hinauf! Hinauf in das wahnsinnige, brennende Blau
Schwang ich mich mit Anmut in windgepeitschte Höhen.
Wo nie eine Lerche oder gar ein Adler flog –
Und wie ich so stillen, aufstrebenden Geistes uferlose Räume betrat,
Habe ich das All, die hohe, erhabene Heiligkeit geschaut
– und sacht das Antlitz Gottes mit der Hand berührt.
John Gillespie Magee, Junior (1922-1941) geboren in Shanghai, anglo-amerikanischer Poet und Jagdflieger der Royal Canadian Air Force
Zweite Strophe seines Gedichtes „High Flight“
Er starb im 2. Weltkrieg (erst 19-jährig) bei einer Luftkollision über England, wenige Wochen, nachdem er das bekannte Gedicht „High Flight“ verfasst hatte.

Alle Fotos Brigitte Fuchs: Gleitschirmflüge vom Niederbauen Kulm aus
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Nach solchem Wechsel
Foto Brigitte Fuchs
Schön wie ein weiterer Versuch legt sich
die Muse zu ihm wenn er schreibt in der
Fremdsprache der Wörter er weiss ja
sie mischt sich nur selten ein ins bleierne
Tagwerk ihr obliegt das Beleben der Sinne
das rasche Verschieben der Orte der Ebenen
nach solchem Wechsel kommt Leben ins
Spiel jetzt erst sucht ihre leicht spöttische
Stimme ihn heim als unbeschreibliche Lust
Brigitte Fuchs
Aus „Solange ihr Knie wippt“ Gedichte, edition 8, Zürich 2002
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Monolog
Foto Brigitte Fuchs
Da ist ein Blatt, das die Winde
hinrissen, als es welk lag:
Es gab die Tortur der Tropfen,
Verfaultes im Rinnstein und
dreckige Tritte –
Nein. Es gab nichts!
Wo denn wäre der Baum?
Schlaf –
Jenes grüne Dämmern unter den
Blitzen des Sommers?
Nein!
Alexander Xaver Gwerder (1923-1952) Schweizer Schriftsteller und Lyriker

Foto Brigitte Fuchs: Brunnen auf dem Heitern
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Juli
Fotos Brigitte Fuchs
Waldbäume singen gern einen Sang,
Nie werden dem Wald die Tage lang.
Die Bäume halten die Blätter hin,
Lassen kein Lied vorüberziehn.
Es singt des Baumes kühle Gestalt
Von Liebe, die wie die Erdboden alt.
Und kommt ein Mensch ganz lebensmatt
Zum Wald, wird seine Zung ein Blatt;
Will mit den Bäumen die Seele tauschen,
Sein Atem will alle Wipfel berauschen;
Sein Blut will in den Stämmen summen,
Denn singend macht der Wald die Stummen.
Der Wald ist uralt ein Liederhaus,
Geh hin und singe Dein Herz bei ihm aus.
Max Dauthendey (1867-1918) deutscher Lyriker und Schriftsteller
Letzte Strophe aus dem Langgedicht „Juli“
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Im See
Fotos Brigitte Fuchs
Heute ist das Wasser warm,
Heute kann’s nicht schaden.
Schnell hinunter an den See!
Heute geh’n wir baden.
1, 2, 3, die Hosen aus,
Schuhe, Rock und Wäsche,
und dann, plumps ins Wasser rein,
gerade wie die Frösche.
Und der schönste Sonnenschein
brennt uns nach dem Bade
Brust und Buckel knusperbraun,
braun wie Schokolade.
Adolf Holst (1867-1945) deutscher Pädagoge, Kinderbuchautor und -herausgeber
Zum Gedicht Im See komponierte Reinhold Krug (1926–1991) eine seiner Melodien. Als Sommerlied eignet es sich für Kinder ab dem 5. Lebensjahr.
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Ich möchte hundert Arme breiten
Foto Brigitte Fuchs
Ich möchte in dir hochwellen,
Grüner Baum!
Ich möchte treibfroh in deinen Markzellen
Aufschwellen
Bis in den Wipfeltraum
Lichtoben –
Ich möchte in die Lichtweiten
Hundert Arme breiten
Wie Zweige –
Armzweige mit Blätterfingern
Und dann fühlen, wie Mittagsgluten,
Wie Lichtfluten
Durch sie schlingern –
Ich möchte aus deinem Wirbelkopf,
Lebensbaum,
Aus dem Laubtraum
Wie Lichtgetropf,
Wie Windsingen
Mich aufschwingen
In den Weltraum!
Gerrit Engelke (1890-1918) deutscher Schriftsteller und Arbeiterdichter (im 1. Weltkrieg gefallen)
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