Archiv der Kategorie: Gedichte
Ich aber folge meinem Sterne…
Fotos Brigitte Fuchs: Kunst am Bau auf dem Bürogebäude der SIX SIS AG in Olten
Sie sähn es gern, ich würde kirre
und beugete mich niederwärts;
sie machten gern mein tapfres Herz
in seinem stolzen Glauben irre.
Sie sagten mir: Es ist vergebens,
du änderst nicht den Lauf der Welt;
Knecht bleibt sie doch! Und dir vergällt
hast du den Sommer deines Lebens.
Wohl, sei es so! Sich fügen lerne,
wem Fügsamkeit genügen kann,
auch Demut schmücket ihren Mann:
Ich aber folge meinem Sterne!
Da hilft kein Rat, da ist kein Wählen,
ich kann nicht anders, wollt‘ ich auch:
Die Freiheit ist mein Lebenshauch,
sie ist die Seele meiner Seelen!
So lasst mich meine Bahn vollenden,
wie sie auch sei, mein Ziel ist mein;
ja, sollt‘ es auch ein Irrweg sein,
ich will ihn doch mit Ehren enden.
Robert Eduard Prutz (1816-1872) deutscher Schriftsteller, Dramatiker, Journalist und Publizist
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Das kannst du nicht

Fotos Brigitte Fuchs: Vorfrühling an der Aare
Das kannst du nicht zwingen:
dass die Knospen springen,
eh´die Sonne ihnen ihren Mai gebracht!
Aber da, was hinter dir liegt,
dich nicht schreckt mehr und unterkriegt:
was Winter in dir abzustreifen
in aller Stille… und Knospen zu reifen
und dich zum Frühling durchzuringen…
Das kannst du zwingen!
Cäsar Otto Hugo Flaischlen (1864-1920) deutscher Schriftsteller, Journalist und Redakteur
Das Gedicht trägt den Titel „Frühling“
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Mein Februarherz
Als trügen Frauen in den Straussenfedern‘
Das junge Licht wie eine weisse Fahne,
Gehörten alle Häuser reichen Reedern
Und wären Schiffe, schwimmt um die Altane
Die blaue Luft! Oh, jetzt in einem Kahne
Auf Wassern fahren, süssen Morgennebeln
Entgegensteuern, gleich dem leisen Schwane
Die Wellen teilend mit den schwarzen Hebeln!

Geh in die Leipzigerstrasse! Geh ins Freie!
Schön ist die Wollust! Gott ein guter Junge.
Die Dirnen sommern brünstiger als Haie!
Ich habe Geld! Ich bin so schön im Schwunge.
Sonette aus Sonne kitzeln mir die Zunge!
In meiner Kehle sammeln sich die Schreie!
Paul Boldt (1885-1921) deutscher Lyriker des Expressionismus

Alle Fotos Brigitte Fuchs: Dachfiguren an einem Haus in Lenzburg
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Morgensonne im Winter

Foto Brigitte Fuchs
Auf den eisbedeckten Scheiben
fängt im Morgensonnenlichte
Blum und Scholle an zu treiben…
Löst in diamantnen Tränen
ihren Frost und ihre Dichte,
rinnt herab in Perlensträhnen…
Herz, o Herz, nach langem Wähnen
lass auch deines Glücks Geschichte
diamantne Tränen schreiben!
Christian Morgenstern (1871-1914) deutscher Dichter

Foto Brigitte Fuchs
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Beim Anblick eines Baumes
Foto Brigitte Fuchs
Die Vöglein sind zu beneiden,
sie meiden,
an Stamm und Wurzeln zu denken,
und selbstzufrieden schaukeln den ganzen Tag die behenden
und singen auf letztverzweigten Enden.
.
Paul Klee (1879-1940) deutscher Maler und Grafiker
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Frühlingswehen
Fotos Brigitte Fuchs
Im Sturmeswüten
trat Lenz herfür,
und junge Blüten
erblickten wir.
In Sturmestosen
ward alles grün,
und junge Rosen
sind im Erglühn.
In Sturmeswetter
keimt stille Saat,
und gute Götter
sind ernst genaht.
Martin Greif (1839-1911), eigentlich Hermann Frey, deutscher Bühnenautor und Dichter
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Übung

Foto Brigitte Fuchs
Es war denn auch ganz leicht
die Schlittschuhe anzuziehen
schwieriger wars die Bögen der
Kindheit aufs Eis zu ziehen
rückwärts mit ausgebreiteten Armen
am schwierigsten die Augen zu schliessen
im Fahrtwind so lange bis die Kufen
den Boden nicht mehr berührten
Brigitte Fuchs
Aus «Handbuch des Fliegens», Gedichte, edition 8, Zürich 2008
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Die Amseln haben Sonne getrunken

Fotos Brigitte Fuchs
Die Amseln haben Sonne getrunken,
aus allen Gärten strahlen die Lieder,
in allen Herzen nisten die Amseln,
und alle Herzen werden zu Gärten
und blühen wieder.
Nun wachsen der Erde die grossen Flügel
und allen Träumen neues Gefieder;
alle Menschen werden wie Vögel
und bauen Nester im Blauen.
(…)
Max Dauthendey (1867-1918) deutscher Dichter und Maler
Erste zwei von drei Strophen seines Gedichtes „Die Amseln haben Sonne getrunken“
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Der Mensch ist wie die Blume…
Fotos Brigitte Fuchs
(…)
Wenn du vom Freunde scheidest,
Schau tief ihm ins Gesicht.
„Ich seh‘ ihn morgen wieder“,
Ach, denke, denk‘ es nicht.
Denn zwischen heut und morgen
Kommt noch die lange Nacht,
Die aller deiner Freude
Gar leicht ein Ende macht.
Des Menschen Glück und Liebe
Geht her, geht hin geschwind,
Der Mensch ist wie die Blume,
Und ihn verweht ein Wind.
Ernst von Wildenbruch (1845-1909) deutscher Dramatiker, Dichter, Erzähler und Diplomat
Die letzten drei Strophen seines sechsstrophigen Gedichts „Abnehmender Mond“
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Etwas fürchten und hoffen und sorgen

Fotos Brigitte Fuchs
Etwas fürchten und hoffen und sorgen
Muss der Mensch für den kommenden Morgen,
Dass er die Schwere des Daseins ertrage,
Und das ermüdende Gleichmass der Tage,
Und mit erfrischendem Windesweben
Kräuselnd bewege das stockende Leben.
Friedrich Schiller (1759-1805) deutscher Dichter, Dramatiker, Philosoph und Historiker
Aus „Die Braut von Messina“ in „Dein Glück ist heute gut gelaunt“ Schiller-Aphorismen (mit humoristischen Zeichnungen von Friedrich Schiller); Sanssouci im Carl Hanser Verlag, München 2008
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