Archiv der Kategorie: Texte
Fragen über Fragen
Kaum hatte der Landwirt am frühen Nachmittag des 19. August begonnen, das abgeerntete Getreidefeld zu pflügen, tauchten am Himmel vierzehn Störche auf, liessen sich hinter dem Traktor nieder und pickten mit ihren langen Schnäbeln gierig allerlei Kleingetier aus den Erdschollen.
Mir ist es ein Rätsel, woher die Störche, die in dieser Umgebung sonst nie gesichtet werden, erfuhren, dass genau hier ein Feld gepflügt wird. Auch habe ich keine Ahnung, woher die Vögel kamen, sie müssen von weit hergeflogen sein, denn in der Nähe gibt es keine Storchenkolonie.
Dann, nachdem sie sich den Bauch vollgefressen hatten, blieben sie bestimmt eine halbe Stunde wie angewurzelt in einer Reihe stehen. Auch das kann ich mir kaum erklären: zur Verdauung, aus Erschöpfung? Oder legten sie einfach eine längere Pause ein?
Schliesslich spazierten sie gemächlich auf dem Acker herum, wichen dem Traktor, der noch immer seine Bahnen fuhr, nur minimal aus, pickten sich da oder dort einen Schnabel voll auf oder staksten quer über das Feld, mal allein, mal in kleinen Gruppen.
Alle Fotos Brigitte Fuchs
Erst Stunden später, der Bauer hatte seine Arbeit längst verrichtet und die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, war die Flotte plötzlich weg und wurde seither nicht wieder gesehen…
Brigitte Fuchs
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Und dreh mich nach dem Wind
Foto Brigitte Fuchs
Rätsel
Wer hoch will stehen wie ich,
Nimmt oft zum Muster mich.
Es gehe wie es will,
Ich bin zu allem still,
Am hellen Tage blind,
Und dreh mich nach dem Wind.
Verfasser/in unbekannt
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Jeder Baum
Fotos Brigitte Fuchs
Jeder Baum, jede Hecke ist ein Strauss von Blüten und man möchte zum Maienkäfer werden, um in dem Meer von Wohlgerüchen herumschweben und alle seine Nahrung finden zu können.
Johann Wolfhang von Goethe (1749-1932) deutscher Dichter und Universalgelehrter
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Kraut der Heilung und des Lebens
Foto Brigitte Fuchs: Kräutergarten beim Kloster Schönthal, Langenbruck/BL
Wie manche dunkle, wunderbare Sehnsucht im Menschen, z.B. nach einer Reise, nach einer gewissen Gegend hin, nach einer Handlung, nach einem Buch – ist ein ähnliches erwachendes Bewusstsein von einem irgendwo grünenden Kraute der Heilung und des Lebens.
Otto von Loeben (1786-1825) deutscher Dichter der romantischen Bewegung, Freund und Wegbereiter von Joseph von Eichendorff, gehörte später dem Dichterkreis um Ludwig Tieck an.
Fotos Brigitte Fuchs
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Wanderpläne
Foto Brigitte Fuchs
Das schönste an Wanderplänen ist, dass man sie umstossen kann. Niemals sich binden. Wandern ist kein zielbewusstes Reisen. Wandern ist Laune, Willkür, Erleuchtung des Augenblicks, heute hier, morgen dort, starre Wanderpläne sind Sünde gegen den heiligen Geist.
Josef Hofmiller (1872-1933) deutscher Schriftsteller und Nietzsche-Forscher
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Auf der Mauer
Foto Brigitte Fuchs
Auf der Mauer, auf der Lauer
sitzt ´ne kleine Wanze.
Auf der Mauer, auf der Lauer
sitzt ´ne kleine Wanze.
Seht euch nur die Wanze an,
wie die Wanze tanzen kann!
Auf der Mauer, auf der Lauer
sitzt ´ne kleine Wanze.
Fotos Brigitte Fuchs: Feuerwanzen, am Karfreitag gesehen auf einer Gartenmauer
Auf der Mauer, schaut genauer,
sitzen viele Wanzen.
Auf der Mauer, schaut genauer,
sitzen Feuerwanzen.
Seht euch nur die Wanzen an
wie sie fort sich pflanzen dann!
Auf der Mauer, auf der Lauer
sieht man sie beim Tanzen.
Zusatzstrophe von Brigitte Fuchs
Foto Brigitte Fuchs
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Der Frühling ist da.
Fotos Brigitte Fuchs
Ich wandere den ganzen Tag, um den Frühling zu suchen und meine Schuhe gehen kaputt. Am Abend habe ich den Frühling noch nicht gefunden. Ich kehre heim und sehe eine Kirschblüte in meinem Garten. Der Frühling ist da.
Weisheit aus China
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Denkspruch
Foto Brigitte Fuchs
Wohl sind die Königinnen der Blumenwelt die, die auf der Höhe des Frühlings blühen, Maiblumen, Jasmin und Rose. Aber auch noch am gefrornen Fenster dem schlanken Wuchs der über dem Wasserglase schwebenden Hyacinthe, dem Krokus, der noch aus dem Schneegefild heraus sein buntes Glockenköpfchen heben muss, zu lauschen, es kann über die Wonnen der Rosenzeit gehen. Erinnerung, Sehnsucht, Hoffnung sind die Begleiter der ersten Frühlingsboten und Sehnsucht beglückt oft mehr als Besitz.
Karl Ferdinand Gutzkow (1811-1878) deutscher Schriftsteller und Journalist
Quelle: Gutzkow: „Vom Baum der Erkenntnis“, Denksprüche, 1868
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Blau
Fotos Brigitte Fuchs
Wie kommt es, dass das, was tatsächlich gegenwärtig ist und sich gerade ereignet, das, was meistens nur vom gewöhnlichen Menschenverstand und einer alltäglichen Einsicht wahrgenommen wird, so dürftig und nüchtern erscheint, ohne den Lichtschimmer oder den blauen Schmelz, welchen wir auf entfernten Dingen liegen sehen?
Henry David Thoreau (1817-1862) amerikanischer Schriftsteller und Philosoph
Aus dem Tagebuch von Henry David Thoreau, 8. Dezember 1859
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Tropfen für Tropfen
Fotos Brigitte Fuchs
Wir können nicht den exakten Moment benennen, in dem eine Freundschaft entsteht. Wie ein Krug, der Tropfen für Tropfen gefüllt wird, bis ein letzter Tropfen ihn zum Überlaufen bringt, so gibt es bei der Freundschaft eine Vielzahl von Freundlichkeiten bis zu jener, die das Herz zum Überlaufen bringt.
James Boswell (1740-1795) schottischer Biograph
Fotos Brigitte Fuchs
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