Archiv der Kategorie: Texte
Adventskalenderfenster X
Foto Brigitte Fuchs
10
Wer doch einmal die Geschichte des Fensters schrieb – dieses wunderlichen Rahmens unseres häuslichen Daseins, vielleicht sein eigentliches Mass, ein Fenster voll, immer wieder ein vollgeschöpftes Fenster, mehr haben wir nicht von der Welt; und wie bestimmt die Form unseres jeweiligen Fensters die Art unseres Gemüts: das Fenster des Gefangenen, die croiseé eines Palastes, die Schiffsluke, die Mansarde, die Fensterrose der Kathedrale –: sind das nicht ebensoviel Hoffnungen, Aussichten, Erhebungen und Zukünfte unseres Wesens?
Rainer Maria Rilke (1875-1926) österreichischer Lyriker deutscher und französischer Sprache
Aus „Briefe an Nanny Wunderly-Volkart“ (1919-1926)
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Adventskalenderfenster IX
Foto Brigitte Fuchs
9
Es gibt niemanden, den das Glück nicht mindestens einmal im Leben besucht. Aber wenn es ihn nicht bereit findet zum Empfang, kommt es zur Tür herein und geht zum Fenster hinaus.
Giuseppe Renato Imperiali (1651-1737) italienischer Theologe und Kardinal
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Adventskalenderfenster IV
Fotos Brigitte Fuchs: Fensterblicke von gestern, 3. Dezember (1. Adventssonntag)
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Dichte immerhin, wer da mag und muss! Aber nur nicht so gar sentimental! Sonst fällt am Ende noch der Mond herunter und schlägt uns die Fensterscheiben ein. Das Ding wäre schon gut, aber — der Weltschmerz, der Weltschmerz!
Julie Eyth (1816-1904) deutsche Schriftstellerin
Aus ihrem Gedichtband: „Bilder ohne Rahmen“
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Adventskalenderfenster III
Foto Brigitte Fuchs
3
Ein Haus steht in der Finsternis.
Finsternis steht ringsum.
Ein Fenster leuchtet.
Einer sagt: Verzweiflung.
Einer sagt: Hoffnung.
Und eine Waage ist nicht zur Hand.
Nur Entscheidung.
Johannes Trojan (1837-1915) deutscher Humorist, Redakteur und Dichter
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Adventskalenderfenster I
Foto Brigitte Fuchs
1
Die Fenster unserer Herzen:
Machen wir sie auf
für das Licht,
für die Sonne am Tag
und für die Sterne in der Nacht.
Kommt Licht in unsere Augen,
dann kommt auch Licht in unser Herz.
Text von Unbekannt
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Lichtertanz
Foto Brigitte Fuchs: Hallwilersee
Wasserbild
zahm und wild
dunkel hell
zart und grell
voll und ganz
satter Glanz
weiche Form
und enorm
wandelbar
einzig gar
Baum und See
Rausch Idee
Brigitte Fuchs
Foto Brigitte Fuchs: Hallwilersee
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Ich möcht‘ so gerne wissen …
Fotos Brigitte Fuchs
(…)
Ich möcht‘ so gerne wissen,
Ob sich die Fische küssen. –
Unterm Wasser sieht man ’s nicht,
Und überm Wasser tun sie ’s nicht!
(…)
Endlich bekam ich eine Antwort auf die Liedstrophe (des deutsch-dänischen Kabarettisten Max Hansen), die wir uns als Jugendliche so oft aufsagten …
Foto Brigitte Fuchs
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Dosen
Fotos Brigitte Fuchs
Das Glück des Lebens setzt sich aus winzigen Kleinigkeiten zusammen – den kleinen, bald vergessenen Wohltaten eines Kusses oder Lächelns, eines freundlichen Blicks, eines von Herzen kommenden Kompliments –, zahllosen, unendlich kleinen Dosen angenehmer und belebender Freuden.
Samuel Taylor Coleridge (1772-1834) englischer Literaturkritiker und Dichter
Fotos Brigitte Fuchs
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Ein Reh
Fotos Brigitte Fuchs: Vogelmoos/LU
Wir halten uns so gern an sommerleichten Tagen
am Teich auf, wo die Kolben aus dem Wasser ragen.
Der Wald ist kühl und lässt Gespräche schnell verstummen,
zu hören sind nur Zirpen und Insektensummen.
Doch plötzlich schreit ein Reh, zu Tode schier erschreckt.
(Es war zuvor im dichten Uferschilf versteckt.)
Mit weiten Sätzen springt es übers Feld zum Wald,
wo es verschwindet und nicht wiederkehrt so bald…
Wie still! – Nur unser schneller Herzschlag ist zu hören.
Uns wird erst jetzt bewusst, dass wir die Tiere stören.
Brigitte Fuchs
Fotos Brigitte Fuchs: Vogelmoos/LU
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Schaufensterbummel
Foto Brigitte Fuchs
Manchmal gehe ich an kleinen Läden vorbei in der Rue de Seine etwa. Händler mit Altsachen oder kleine Buchantiquare oder Kupferstichverkäufer mit überfüllten Schaufenstern. Nie tritt jemand bei ihnen ein, sie machen offenbar keine Geschäfte. Sieht man aber hinein, so sitzen sie, sitzen und lesen, unbesorgt; sorgen nicht um morgen, ängstigen sich nicht um ein Gelingen, haben einen Hund, der vor ihnen sitzt, gut aufgelegt, oder eine Katze, die die Stille noch größer macht, indem sie die Bücherreihen entlangstreicht, als wischte sie die Namen von den Rücken.
Ach, wenn das genügte: Ich wünschte manchmal, mir so ein volles Schaufenster zu kaufen und mich mit einem Hund dahinterzusetzen für zwanzig Jahre.
Rainer Maria Rilke (1875-1926) österreichischer Lyriker deutscher und französischer Sprache
Auszug aus „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“
Foto Brigitte Fuchs
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