Schaufensterbummel

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Manchmal gehe ich an kleinen Läden vorbei in der Rue de Seine etwa. Händler mit Altsachen oder kleine Buchantiquare oder Kupferstichverkäufer mit überfüllten Schaufenstern. Nie tritt jemand bei ihnen ein, sie machen offenbar keine Geschäfte. Sieht man aber hinein, so sitzen sie, sitzen und lesen, unbesorgt; sorgen nicht um morgen, ängstigen sich nicht um ein Gelingen, haben einen Hund, der vor ihnen sitzt, gut aufgelegt, oder eine Katze, die die Stille noch größer macht, indem sie die Bücherreihen entlangstreicht, als wischte sie die Namen von den Rücken.

Ach, wenn das genügte: Ich wünschte manchmal, mir so ein volles Schaufenster zu kaufen und mich mit einem Hund dahinterzusetzen für zwanzig Jahre.

 

Rainer Maria Rilke (1875-1926) österreichischer Lyriker deutscher und französischer Sprache
Auszug aus „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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18 Antworten auf Schaufensterbummel

  1. Edith sagt:

    Und so wie Rilke es empfunden hat, so ist es gerade auch hier. Die Verkäufer oder Verkäuferinnen stehen an offener Tür gelehnt, sitzen oft auch davor und warten vergeblich, dass jemand eintritt und kauft.
    Bald werden auch einige von ihnen schließen müssen…
    Dir ein gutes Wochenende,
    gewünscht von mir.

    • Quer sagt:

      Das befürchte ich auch, Edith.
      Es ist schwieriger und unsicherer geworden, ein Geschäft zu fühern, vor allem in den Stadtgebieten, wo die Ladenflächen enorm teuer zu mieten sind. Der Online-Versand fordert seine Opfer…
      Dir ebenfalls ein gutes Wochenende und liebe Grüsse.

  2. merlin sagt:

    lange her, dass ich den malte las…
    rilke verarbeitet seine eindrücke der grossstadt in seiner ihm eigenen art.
    wenn malte sich mit einem hund in den laden setzt, dann muss er wenigstens mit dem tier an die frische luft und kann so eine staublunge vermeiden…

    herzliche morgengrüsse durch die heute schon etwas frischere luft 🙂
    p.s.: auf dem zweiten foto scheint eine potentielle kundin zu sein 😉

  3. Quer sagt:

    Und ich habe ihn leider überhaupt nie am Stück gelesen. – Könnte ich vielleicht nachholen… :–)
    Deine Überlegungen gefallen mir, Merlin. Zumal das wirklich einleuchtet mit den Hunde-Gassi-Runden. 🙂

    Ja, heute Morgen scheint sich die Hitzewelle grösstenteils zu verabschieden. Ich bin froh darüber.

    Mit der potentiellen Kundin könntest du dich allerdings täuschen, sie scheint nur am Schauen und Bummeln interessiert zu sein und nicht am „Lädele“. 🙂
    Einen lieben Morgengruss in deine Richtung.

  4. Eva sagt:

    Solche kleinen Läden in Paris meine ich auch noch kennengelernt zu haben, deren Betreiber scheinbar von Luft und Liebhaberei lebten, aber ganz so kann es wohl auch nicht gewesen sein, nur waren sie und ihre Vermieter sicher nicht ganz so raffgierig wie heute. „seufz“
    (Und den „Malte“ solltest du unbedingt mal am Stück lesen, finde ich, große Literatur, wird dir gefallen.)

    Liebe Grüße von Eva

  5. Quer sagt:

    Du hast sicher recht, Eva. Von Luft und Liebhaberei kann niemand leben, es sei denn, er oder sie habe ein grosses Vermögen geerbt… :–)
    Und den „Malte“ werde ich mir zu Gemüte führen, das nehme ich mir fest vor!
    Danke für dein Plädoyer.
    Lieben Dank und Gruss zu dir nach Schweden.

  6. Sonja sagt:

    Text und Bild, gelungen.
    Das gab es auch mal in Heidelberg, doch längst nicht mehr!
    Liebe Grüße von Sonja

  7. Quer sagt:

    Ja, manches ist unwiderruflich verloren…
    Sei lieb zurück gegrüsst, Sonja!

  8. Roswitha sagt:

    danke für den neu entdeckten rilke und die gelungenen fotos – so auch dein portrait. ich kenne noch so einen laden, und am liebsten hätte ich selbst einen. dann könnten meine freundinnen alles bei mir abladen und andere würden suchen. nicht der verkauf wäre wichtig, sondern reden, suchen und lachen. ich hätte immer kaffee oder tee vorrätig, vielleicht gebäck.
    hab ein gelungenes wochenende, gruß roswtha

  9. Quer sagt:

    Mit diesem Gedanken habe ich auch schon öfters geliebäugelt, Roswitha.
    Und ich hätte wohl die genau gleiche Verkaufs-Philosophie wie du. :–)
    Aber wie es so ist: Nicht alle Träume sollen oder wollen verwirklicht werden…
    Dir lieben Dank und ebenfalls ein vergnügtes Wochenende!

  10. Gerhard sagt:

    Ein Wunderding ist das, so existieren zu können.
    Liebe Grüße Gerhard

  11. Quer sagt:

    Das kann man so sagen. :–)
    Liebe Grüsse zurück zu dir.

  12. seelenruhig sagt:

    Wie schön, dieser Post. Rilkes Gedanken beim Anblick der ins Buch vertieften Antiquare sind schon schwermütig. Er ist ja nicht einer, der ein Geschäft hat – er gehört zu denen, die schreiben und davon leben müssen. Zum Glück gab es damals noch mehr Mäzene (oder gibt es die in anderer Form wohl immer noch? Ich weiß es nicht)
    liebe Grüße – schön, die Fotografin im hübschen Fenster zu sehen.

    • Quer sagt:

      Mäzene gibt es kaum noch, Ellen.
      Das haben inzwischen und hierzulande die Kultur-Institutionen übernommen wie Pro Helvetia oder kantonale Kuratorien und Förderprogramme, das Kulturprozent der Migros etc.
      Gerade als Lyriker/in ist man darauf angewiesen, wenn man nicht am Hungertuch nagen will. :–)
      Danke für die lieben Zeilen und herzliche Grüsse durch den einsetzenden Regen zu dir an den Bodensee.

  13. Syntaxia sagt:

    Ähnliche Gedanken hatte ich auch schon, wenn ich durch die Stadt gehe und manchen Laden von außen betrachte, wo nie ein Kunde sich hineinzuverirren scheint. Wenn es reichte, davon zu leben, dann würde ich gern den kleinen hübschen Laden in der Stadt haben, der seit Jahren leer steht. Das Haus heißt: Haus zur kleinen Meise, direkt neben dem Haus zur großen Meise. 🙂
    Im Verkaufen bin ich nicht gut wüsste auch nicht recht was (außer einer Menge Postkarten von der Bohlmeise). Leider sind die Mieten unerschwinglich. Lotto spiele ich nicht – also wird das schonmal nichts…

    Liebe Grüße,
    Syntaxia

  14. Quer sagt:

    So ein kleines Lädchen wäre schon toll! Das „Haus zur kleinen Meise“ würde bei dir ja wunderbar passen. Aber das sind unerfüllbare Träume nicht wahr. :–)

    Einen lieben Nachmittagsgruss zu dir.

  15. Rosi sagt:

    ein schöner Blick ins Fenster
    mir gehts wie meiner Namensschwester oben 😉
    von so einem kleinen Lädchen habe ich immer geträumt
    ich könnte ihn sogar füllen .. hihi
    Kaffee und Kuchen und Bastelnachmittag
    liebe Grüße
    Rosi

  16. Quer sagt:

    Ich merke schon, Rosi, es sind nicht wenige mit diesem insgeheimen Traum. :–)
    Du würdest das Lädchen sicher mit Herzblut betreiben…
    Einen lieben Retourgruss.

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