Tagesarchive: 20. Oktober 2018
Der Sumpf
Fotos Brigitte Fuchs: Bilder vom nahen Waldweiher
Umsonst ist dein Bemühen,
O Sumpf, mich anzulocken!
Wie sehr mir auch dein samtnes,
Nur zart begrastes Ufer,
Wie sehr mir auch dein Schilfrohr,
Das Winde sanft bewegen,
Und die goldfarbnen Blumen
Gefallen, die dich zieren
Und sich, wie dein Gewässer,
Erheben oder senken,
Werd‘ ich dir doch nicht nahen.
Fotos Brigitte Fuchs
Zu viel hat mir die Mutter
Erzählt von den Gefahren,
Die auf den Unerfahrnen,
Der dir zu nah kommt, lauern.
In deinem Schlamme wohnen
Die gelbgefleckte Kröte,
Und gier’ge Wasserschlangen,
Die, wenn sie Kinder sehen,
Schnell auf das Ufer kommen
Und um den Fuss sich winden,
Der tief und immer tiefer
in die vermeinte Wiese
Versinkt, bis endlich Rettung
Unmöglich ist. Das steht uns
Bevor am hellen Tage.
Fotos Brigitte Fuchs
Hat sich die Nacht gesenket,
So lockest du den Wandrer
Von weitem an mit deinen
Unsteten, leichten Flammen,
Die in der Geisterstunde
(Vielleicht, wer kann das wissen,
Sind selbst sie Geister) seltsam
Sich hin und her bewegen
In schauerlichen Tänzen.
Nein, Sumpf! vergebens harrst du
Auf mich; mir schaudert, wenn ich
Auch nur so an dich denke.
Elisabeth Kulmann (1808-1825) deutsch-russische Dichterin, die mit elf Jahren zu dichten begann und bis zu ihrem frühen Tod mit 17 mehr als 100’000 Verse verfasste und Sprachgenie, das fast ein Dutzend Sprachen (darunter auch Griechisch und Latein) beherrschte.
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