Vom Lesen

Fotos Brigitte Fuchs

 

Wenn ich im Lesen eine schwere Stelle finde, die ich nicht verstehen kann, so beisse ich mir deswegen die Nägel nicht ab, sondern lasse es, nachdem ich sie ein- oder ein paarmal beleuchtet habe, dabei bewenden. Wenn ich mich darauf erpichte, würde ich mich und meine Zeit verderben, denn mein Kopf wird leicht stutzig; was er nicht im ersten Anlauf lernt, das lernt er noch weniger, wenn er angestrengt wird. Ich tue nichts ohne Frohsinn, und zu langes und anhaltendes Nachsinnen trübt meinen Verstand…

 

 

Michel de Montaigne (1533-1592) französischer Jurist, Philosoph und Essayist

 

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22 Antworten auf Vom Lesen

  1. merlin sagt:

    nur mit frohsinn lernen würde man heute wohl als ‚edutainment‘ bezeichnen.
    natürlich ist es schön, wenn es spass macht, aber manchmal schadet es nichts, sich durchzubeissen. allerdings nehme ich an, dass die aussage von monsieur de m. nicht so absolut gemeint war….
    glg. und eine lesefreudigen tag dir.

  2. Quer sagt:

    Das stimmt ganz klar, Merlin: Mit reinem Vergnügen lässt sich kein Test und kein Diplom erwerben. :–)
    Aber ich denke auch, dass hier nur ein Veto eingelegt wird gegen Verbohrtheit und Übereifer.
    Mich faszinieren jedenfalls Schriftfragmente und Spuren wie auf den Fotos. Das darf gern auch mal sinnfrei sein.
    Dir auch viel Spannendes heute! Sei lieb gegrüsst!

  3. Wolfgang+Nießen sagt:

    Liebe Brigitte,
    dem kann ich mich (nur) zum Teil anschließen. Stellen, die ich nicht direkt oder im dritten Anlauf nicht verstehe lasse ich nur dann links liegen, wenn ich zu dem Schluss komme, dass sie für das Gesamtverständnis des Textes hoffentlich nicht so wichtig sind. Bisweilen muss ich dann aber auch, nur wenige Seiten später, einsehen, dass meine Vermutung falsch war.
    Und wenn ich mal in einem anderen Genre eine Formel nicht nachvollziehen kann, dann greife ich auch gerne zu Stift und Blatt, das hilft ungemein.
    Ich wünsche Dir noch eine schöne Restwoche.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

  4. Quer sagt:

    Es ehrt dich, Wolfgang, dass du so engagiert und diszipliniert ans Werk gehst.
    Manchmal klappt es ja auch zu einem späteren Zeitpunkt (mit etwas Abstand geht einem oft ein Licht auf) oder man fragt ganz einfach bei jemandem nach, der oder die Bescheid weiss. :–)

    Besten Dank für deine Zeilen und auch dir eine gute weitere Woche!
    Lieben Gruss.

  5. Valentina sagt:

    Die Lektüre eines Aristoteles-Textes zum Beispiel braucht bei mir recht Anstrengung, aber das Entschlüsseln des Inhalts kann dann erkenntnisöffnend sein.
    Dem Gehirn tut zudem solches Training gut. Das richtige Mass finden dafür finde ich zentral.

    lieben Gruss!

    • Quer sagt:

      Genau, Valentina.
      Das richtige Mass ist bestimmt auch hier das A und O.
      Und dem Gehirn dürfen wir doch einiges zutrauen.

      Sei auch lieb gegrüsst!

  6. Gerhard sagt:

    Eine gute Maxime.
    Also ist nichts falsch daran, weiterzulesen. Denn man kann durchaus mal auf dem falschen fuss aufgestanden sein.
    Liebe Grüße Gerhard

  7. Quer sagt:

    Exakt: Man darf auch mal etwas Unverständliches ignorieren oder etwas Unverdauliches ausspucken. :–)
    In diesem Sinne liebe Grüsse.

  8. Eva sagt:

    Es gibt sicher auch beim Lesen so etwas wie „antizipierendes Lernen“, wobei sich erst aus weiterem Lesen und Tun ein Zusammenhang oder eine Erkenntnis ergibt – im besten Fall. Es ist immer einen Versuch wert, Dinge erst einmal „sein zu lassen“ in der Hoffnung auf ein späteres Aufleuchten im Hirn. Manchmal wird man belohnt, sogar in der Lyrik. 😉

    Liebe Grüße von Eva

  9. Quer sagt:

    Das ist so schön und wahr, was du sagst, Eva.
    Gerade in der Lyrik braucht es oft einen zweiten oder dritten Anlauf, um dieses verstehende Aufleuchten zu erfahren.
    Ja, es lohnt sich manchmal, die Komfortzone zu verlassen…
    Herzliche Grüsse zurück zu dir.

  10. mona lisa sagt:

    Bei Unverständnis
    Nägel beißen, Haare ausraufen
    ist wenig hilfreich – immer 😉
    Schmunzelnde Morgengrüße

  11. Hausfrau Hanna sagt:

    Montaignes Text und Gedanken,
    liebe Frau Quer,
    haben für mich etwas von der Leichtigkeit eines Schmetterlings:
    Sie befreien und erlösen irgendwie vom ‚Immer-alles-verstehen-wollen’…

    Danke für diesen erhellenden Blogbeitrag und die Bilder!

    Und haben Sie einen frohen, leichten Tag –
    lieben Gruss aus der Stadt
    Hausfrau Hanna

    • Quer sagt:

      So geht es mir auch, liebe Hausfrau Hanna:
      Man darf ungeniert mal etwas ad acta legen, wenn so gar kein Funke springt.

      Danke auch Ihnen und haben Sie ebenfalls einen erfreulichen Tag!

  12. PepeB sagt:

    Ich mag es sehr, wenn Texte, Buchstaben auch zu Bildern werden, so wie auf deinem Foto.
    Und manchmal muss man in Texte hineinwachsen: Was ich gerade nicht verstehe, erschließt sich mir vielleicht später – durch anderswo gemachte Erfahrungen. Rückkehr kann beglücken.
    Liebe Grüße
    Petra

  13. Quer sagt:

    Merci, Petra.
    Genau: „Rückkehr kann beglücken.“ Und vieles erschliesst sich halt erst auf den zweiten oder dritten Blick.
    Frohe Grüsse zu dir.

  14. Friederike sagt:

    Oft hilft es ja, eine Nacht darüber zu schlafen und dann lösen sich Probleme manchmal wie von selbst. Vielleicht hat es auch Montaigne in seinem einsamen Turm so gehalten…

  15. Quer sagt:

    Das könnte gut sein, Friederike. Dein Ratschlag bewährt sich jedenfalls oft in der Praxis. Und zwar nicht nur beim Lesen. :–)
    Lieben Dank und schöne Grüsse.

  16. Sonja sagt:

    Sogar bei Filmen guck ich manchmal einfach weg…Der gute Mann hat weise Worte gesprochen, schon vor sehr langer Zeit. Nur die Dinos waren schon weg 🙂
    Gruß von Sonja

  17. Quer sagt:

    Ja, das ist unglaublich lange her, wenn auch nicht ganz bis zu den Dinos zurück :–).
    Und seine Worte (ob genau so oder ähnlich) sind immer noch gut für Diskussionen.
    Lieben Abendgruss.

  18. Finbar sagt:

    Ein schönes Zitat von einem Meisterdenker der französischen Philosophie.
    Musste schmunzeln beim Lesen 😊
    Es gibt Fälle, da kapiere ich Stellen in Büchern nicht beim ersten Mal *lach*
    Am schwersten war Sein und Zeit von Heidegger zu lesen. Danach empfand ich fast jedes andere Buch als leichte Leselektüre…
    Herzliche Grüße zur Nacht vom Lu

  19. Quer sagt:

    Danke für deinen schönen Praxisbericht, Lu.
    Und dir weiterhin viele schöne Lese-Erlebnisse!
    Einen lieben Morgengruss.

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