Wie Artischocken

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

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Wie Artischocken
Blättert mein Hirn.
Rauch entsteigt
Seinen Kaminen.
Krater brechen aus der Erde
Meines Leibes.

Blattern tupfen Träume auf die Haut.
Beine buchten sich an blaue Meere.
Inseln wachsen buschig aus der Brust.
Augen sind vom Glanz der Nacht entzündet,
Morsche Fingerspitzen trommeln Takt.

 

(…)

 

Klabund (1890-1928) eigentlich Alfred Georg Hermann Henschke, deutscher Schriftsteller und Lyriker
Aus „Irene oder Die Gesinnung“
Zwei von vier Strophen dieses Zyklus-Teils

 

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20 Antworten auf Wie Artischocken

  1. merlin sagt:

    schwere zeilen…da ist viel leiden spürbar.
    da halte ich mich an die bilder, die wohltuende gefühle vermitteln.
    einen stimmigen regensamstag dir und glg.

  2. Quer sagt:

    Das expressionistische Gedicht kommt auch bei mir so rüber…
    Da schreibt ein unruhiger, leicht wirrer Geist.
    (Der Text geht übrigens sehr boshaft und sarkastisch weiter.)
    Es war aber auch das einzige „Artischocken“-Poem, das ich in den Weiten des Internets fand. :–)

    Bei uns ist es mit dem ersten stürmischen Herbstregen ruhig und beschaulich georden.
    Danke und einen lieben Samstaggruss zurück.

  3. Edith sagt:

    Diese Zeilen drücken, harte Worte für sich selbst, für sein eigenes Empfinden.
    Wie schnell uns doch so etwas ins Denken fährt..
    Dein Foto dazu ist richtig toll!
    Halten wir uns am Herbst fest, der nun mit Macht kommt. Stürme ziehen ohne Unterlass.
    Ganz liebe Samstagsgrüße
    von Herzen, Edith

    • Quer sagt:

      Es ist wirklich erstaunlich, wie wir mit wenigen Worten jede Art von Stimmung und fast jede Gefühlslage erzeugen können…
      Ja, Edith, auch hier kommt der Herbst nun mit seiner ganzen Entourage. :–)
      Liebe Grüsse zu dir.

  4. Eva sagt:

    Der arme Klabund in rasendem Verfall. Wo doch das Zupfen an Artichockenblättern eigentlich etwas Wohlschmeckendes hervorholt …

    Liebe Grüße von Eva

    • Quer sagt:

      Ja da klaffen Abgründe dazwischen.
      Ich hoffe, es tönt von Klabund um einiges schlimmer, als es tatsächlich war. :–)

      Herzliche Grüsse zu dir, Eva.

  5. C Stern sagt:

    An den Gedanken von Henschke finde ich in sprachlicher Hinsicht sehr bemerkenswert, auf welche Weise er seine Befindlichkeiten offenbart. Der Inhalt selbst ist bedrückend, so geht es auch mir.
    Deine Fotos zeigen eine Pflanze, die auch als Schmuckstück in einer Vase immer mehr an Bedeutung gewinnt – und ich kann das sehr gut nachvollziehen! Da fühlen sich auch kleine geflügelte Tierchen wohl 🙂
    Sonnige Grüße zu Dir!

  6. Quer sagt:

    Ganz so bedrückend finde ich den Text von Klabund nicht. Ich meine, dass er ganz bewusst mit expressionistischer Wucht (und mit ebensolcher Sprachspielfreude) Sätze schuf und das Ganze dadurch einen eher satirischen, nicht ganz ernst gemeinten Ausdruck bekam.
    Aber ganz sicher bin ich mir nicht. :–)
    Liebe Grüsse zurück zu dir, mit erfrischendem Regen untermalt.

  7. mona lisa sagt:

    Da geht es um mich herum und in mir – zumindest zur Zeit –
    sehr viel ruhiger zu und ich genieße es.
    Mich beeindruckt dennoch, wie bildhaft er seinen Zustand darzustellen vermag.
    Deine Artischockenbilder besänftigen das Geschriebene durch ihre Ästhetik.
    Liebe Grüße

    • Quer sagt:

      Ja, diesen extremen inneren Aufruhr kenne ich zurzeit und zum Glück auch nicht.
      Ich bewege mich auch eher auf der Artischockenbilderseite… :–)
      Danke, Mona Lisa, und lieben Retourgruss.

  8. Britta sagt:

    Sprachbildgewaltig wird der menschliche Zerfall beschrieben…ich hoffe ich zerfalle etwas sanfter;-)
    Die Bilder der Artischocken sind wunderschön!
    Heitere Grüsse Britta

  9. Quer sagt:

    Oh ja, deine Einschätzung trifft es haargenau, Britta.
    Hoffen wir allenfalls auf ein leiseres, sanfteres Untergangsszenario. :–)
    Lieben Dank und Wochenendgruss zu dir.

  10. Gerhard sagt:

    Die morschen Fingerspitzen werden nicht lange Takt schlagen können
    Dann muss der Rauch des Gehirns das übernehmen. Es muss nur daran glauben.😉

    Liebe Grüße Gerhard

  11. Quer sagt:

    Mir scheint auch, das ist reine Hirnleistung. :–)

    Sei auch lieb gegrüsst, Gerhard!

  12. Sonja sagt:

    Der war, so denke ich, ein hochsensibler Mensch mit wilden Auswüchsen der Fantasie, welche er nur manchmal aufgeschrieben hat…
    Gruß von Sonja

  13. Quer sagt:

    Das ist eine kluge Beschreibung, Sonja, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf diesen Dichter zutrifft.
    Hab Dank dafür und sei lieb gegrüsst!

  14. mano sagt:

    ich kannte von klabund nur den namen – in zusammenhang mit gottfried benn – und las eben ein wenig über ihn. er litt wohl ein großteil seines lebens an tuberkulose und musste sich häufig in sanatorien aufhalten. dadurch werden mir seine heftigen worte und starken sätze besser verständlich.
    liebe grüße von mano

  15. Quer sagt:

    Ja, das habe ich auch recherchiert, Mano.
    Er hatte wohl ein kurzes und beschwerliches Leben.
    Ob das Gedicht in diesem Zusammenhang zu lesen ist, ich denke schon.
    Danke für deine Zeilen. Sei auch herzlich gegrüsst!

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