Zum Einschlafen zu sagen

Foto Brigitte Fuchs: Skulptur „Horchender“ des Künstlers Rudolf Blättler, Luzern, in Cham, Kanton Zug

 

 

Ich möchte jemanden einsingen,
bei jemandem sitzen und sein.
Ich möchte dich wiegen und kleinsingen
und begleiten schlafaus und schlafein.
Ich möchte der Einzige sein im Haus,
der wüsste: die Nacht war kalt.
Und möchte horchen herein und hinaus
in dich, in die Welt, in den Wald.
Die Uhren rufen sich schlagend an,
und man sieht der Zeit auf den Grund.
Und unten geht noch ein fremder Mann
und stört einen fremden Hund.
Dahinter wird Stille. Ich habe gross
die Augen auf dich gelegt;
und sie halten dich sanft und lassen dich los,
wenn ein Ding sich im Dunkel bewegt.

 

Rainer Maria Rilke (1875-1926) Lyriker deutscher und französischer Sparache, Schriftsteller und Übersetzer
Aus „Das Buch der Bilder“

 

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24 Antworten auf Zum Einschlafen zu sagen

  1. waldviertelleben sagt:

    ein bisserl rilke geht immer. er hat viele lyrische spuren hinterlassen. gestern sah ich einen bericht von einem schloss in der schweiz, wo er worte über die alte weide hinterliess. die weide gibt es immer noch. auch in nachrilkezeiten.
    liebe morgengrüße
    ingrid

  2. Quer sagt:

    Oh ja, Rilke ist allgegenwärtig. Das müsste dann wohl das Schloss Muzot in der Nähe von Sierre sein. Und sein Grab in Raron habe ich vor Jahren mal besucht.
    Ein schöner Ort.
    Ebenfalls lieben Morgengruss zu dir.

  3. Britta sagt:

    Einfach wunderschön. Das nächste Mal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, denke ich an seine Worte.
    Heitere Grüsse Britta

  4. Quer sagt:

    Das ist eine gute Idee.
    Frohe Grüsse zu dir.

  5. merlin sagt:

    etwas rilke liegt auch bei mir immer griffbereit – und die kräftigen skulpturen von ruedi blättler sind unverkennbar 🙂
    so horche ich im moment in den morgen und wünsche dir einen lebendig-freudigen (hüte)tag. wir sind dann morgen beim nachwuchs 😉
    glg.

  6. Quer sagt:

    Wie schön, dann lass uns die Tage Plus gestalten und geniessen!
    Wir sind schon auf dem Sprung, die kleinen Racker zu holen…
    Lieben Gruss zu dir.

  7. mona lisa sagt:

    Ich mag Rilke sehr, aber kleinsingen lassen wollte ich mich nicht 😉
    Herzliche Morgengrüße

  8. Eva sagt:

    Diese Rilke-Klänge sind wirklich sehr geeignet , einen wie ein Kind in den Schlaf zu lullen. Aber jetzt muß ich erstmal raus aus den warmen Pfühlen und für den grummelnden Magen sorgen. 🙂

    Ich wünsch dir einen sättigenden Tag!

    • Quer sagt:

      Inzwischen bist du sicher gut genährt in den Abend gelangt, Eva.
      Und das Schlaflied von Rilke darf bald zum Einsatz kommen.

      Ja, der Tag bot viel Sättigendes und Vergnügliches – da war gar nichts von Schlaflied dabei.

      Lieben Dank und Gruss zu dir.

  9. PepeB sagt:

    Rilke geht mir immer ans Herz, ich weiß nicht, wie er das macht … Es ist wohl tatsächlich der Klang der Worte, die er gewählt hat.
    Liebe Grüße
    Petra

  10. Hausfrau Hanna sagt:

    Der ausdrucksstarke,
    liebe Frau Quer,
    am Boden liegende Kopf des ‚Horchenden‘ irritiert mich etwas.
    Weil ihm die Ohren fehlen…

    Rilkes Gedicht und sein ‚Ich möchte jemanden einsingen‘ gefällt mir unglaublich gut.

    Einen Tag mit viel Erleben und liebe Grüsse
    Hausfrau Hanna

    • Quer sagt:

      Stimmt schon, liebe Hausfrau Hanna. Der Horchende muss mit all seinen anderen Sinnen wach und aufmerksam sein. Vielleicht ist aber auch an sich „ganz Ohr“…

      Ja, das Rilkegedicht hat einen besonderen Reiz.
      Lieben Dank und schöne Abendgrüsse zu Ihnen.

  11. Monika Brandenstein sagt:

    Ein wunderbares Gedicht, das nicht nur zum Einschlafen geeignet ist, sondern – liest oder hört man es mit Bedacht – auf außergewöhnliche Weise wach(-sam) macht ;-).
    Schön, es an dieser Stelle wieder mal zu sehen. Herzliche Grüße zu dir, liebe Brigitte, in die Schweiz – Monika

  12. sylvia sagt:

    :-))) gerade stell ich mir vor, jemand würde den riesenschweren steinkopf hin und herwiegen und -schaukeln und ihm ein liedchen singen. wieso eigentlich nicht?
    lieber gruß
    Sylvia

  13. Quer sagt:

    Diese Vorstellung gefällt mir sehr, Sylvia.
    Man könnte es ja mal versuchen. 🙂
    Ebenfalls liebe Grüsse.

  14. Szintilla sagt:

    Irgendwer hat diesen Steinkopf wohl in den Schaf gesungen. 🙂
    War es der Wind?

    Lieben Gruß,
    Szintilla

  15. Quer sagt:

    Kann gut sein Szintilla. Grad heute wehte ein sangesfreudiger Ostwind.
    Lieben Gutenachtgruss.

  16. Sonja sagt:

    …bei jemand sitzen und sein…
    Schön ausgesucht, die Rilke-Zeilen und das Foto. Der Kopf lauscht ins Erdinnere, vielleicht manchmal das Beste!
    Gruß von Sonja

  17. Quer sagt:

    Danke, Sonja.
    Ja, dieses Lauschen nach innen ist bestimmt gut und wohltuend.
    Lieben Gruss zurück zu dir.

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