Advent mit Tucholsky

Foto Brigitte Fuchs

 

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Kindertheater

 

Wie war das doch? –

Schon der Nachmittag war unruhig und bewegt – Theater! Und wir gingen von zu Hause fort, durch die noch hellen Straßen, blind für alles Licht, vorwärtsstrebend, stumm. Das große Gebäude, die Kasse, die vielen Menschen, – drängte sich nicht ein Mädchen mit blauschimmernden Flügeln am Rücken durch sie alle? – die Garderobe – das wurde ungeduldig und schnell, hastig erledigt.

Wir traten in den riesigen Raum voll Lichtern, heißer Luft und summenden Gesprächen. Wir kamen stets spät; der Saal verdunkelte sich, und unten im Orchester klopfte ein Stäbchen aus Holz. Und Töne, die bis dahin gebrummt und quinkiliert hatten, verstummten, und der Strich von zwanzig Geigen setzte ein. O süßer Moment, wenn die Ouvertüre beginnt, im Halbdunkel der wenigen Lämpchen schwimmen Gesichter, helle Schöße der Frauen, oben bauscht sich der Vorhang ein wenig . . . Musik! Die Musik spielte – und die Backen wurden heiß und die Hände, Musik, immer noch Musik, und jetzt erhob sich der Vorhang.

Das Stück begann.

(…)

 

Kurt Tucholsky

Aus dem Jahre 1913

 

Foto Brigitte Fuchs: Theater Tuchlaube, das inzwischen mit anderen Institutionen zur „Bühne Aarau“ gehört

 

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14 Antworten auf Advent mit Tucholsky

  1. PepeB sagt:

    Mit Tucholsky im Theater, durch seine Worte in heller Vorfreude … Und das „Quinkilieren“ werde ich so schnell nicht mehr vergessen …
    Berückt lauschend
    Petra

  2. Quer sagt:

    Schön, nicht! Das hat mir auch so gut gefallen. Man spürt die Leidenschaft fürs Theater aus dem kleinen Text heraus.
    Hab einen poesievollen Tag, Petra!
    Und sei lieb gegrüsst!

  3. merlin sagt:

    die aufregung und freude sind greifbar 🙂
    mir scheint, kindertheater haben schon länger ein richtiges revival.
    schön!
    einen herzlichen morgengruss zu dir.

  4. Quer sagt:

    Das kann sein und wäre auch wünschenswert.
    Ja, die geschilderte Vorfreude reisst regelrecht mit. 🙂
    Deinen herzlichen Morgengruss erwidere ich ebenso fröhlich, Merlin.

  5. Valentina sagt:

    Tucholsky macht richtig Lust mit seinem Text, wieder einmal in ein Theaterpublikum zu sitzen und mich bezaubern zu lassen, am liebsten von einer gut inszenierten Märchenaufführung, in Begleitung von Kindern.

    Einen bezaubernden Adventstag in Weiss wünsche ich dir, Brigitte, mit herzlichem Gruss.

  6. Quer sagt:

    So ist es, Valentina. Das ist so richtig gute Werbung.
    Ich spreche auch sehr gut darauf an. :–)

    Geniessen wir den Tag in Weiss! Vielleicht kommt auch noch Himmelsblau dazu.
    Ebenfalls herzliche Grüsse zu dir.

  7. Gerhard sagt:

    Bei „helle Schöße der Frauen“ musste ich lächeln.
    Wir waren ja vor einer Woche in einem Musical, es war zwar nicht ganz mein Ding, aber spassig trotzdem.

    Liebe Grüsse
    Gerhard

  8. mona lisa sagt:

    Entspricht in ähnlicher Weise meiner Vorfreude, die ich erlebe, wenn ich – allerdings sehr frühzeitig – auf eine Vorstellung warte, mich selbst einstimme auf das, was da kommen mag.
    Dir einen feinen Samstag.

  9. Quer sagt:

    Schön, dass du eigene Erfahrungen damit verknüpfen kannst, Mona Lisa.
    Danke und auch dir einen freudigen Tag!

  10. Hausfrau Hanna sagt:

    Wie treffendschön,
    liebe Frau Quer,
    Tucholsky die Stimmung beschreibt, bevor endlich der Vorhang aufgeht.
    Und das Stück beginnt!
    Erinnerungen werden wach…

    Mit einem herzlichen Gruss in den heutigen Tag
    Hausfrau Hanna

    • Quer sagt:

      Ja, liebe Hausfrau Hanna, es tauchen auch bei mir Bilder aus der Vergangenheit auf beim Lesen dieses Textes.

      Ebenfalls herzliche Grüsse in den baldigen Abend.

  11. Sonja sagt:

    Bevor der Vorhang aufgeht…
    Diese aufgeregte Vorfreude…
    Schön…
    Gruß von Sonja

  12. Quer sagt:

    Ja, das ist so schön und detailliert geschildert.
    Einen lieben Retourgruss.

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