Archiv der Kategorie: Gedichte
Taubenschwänzchen / Kolibrischwärmer
Fotos Brigitte Fuchs: Taubenschwänzchen, auch bekannt unter dem Namen Kolibrischwärmer
(…)
Flatternd um die Blütenkronen
Und die Kelche, kleines Ding,
Kämpfst du wütend, ohne Schonen,
Mit dem Abendschmetterling,
Der allein an Glanz nicht deinem weicht,
Der allein an Schönheit dich erreicht!
Weil in deiner Brust es rascher
Als in der des Schwärmers pocht,
Hat darum der trunkne Nascher
Dich zu solchem Zorn vermocht?
Für den Tag zu spät, der Nacht zu früh,
Scheint er nur ein Bild der Phantasie?
(…)
Hermann von Lingg (1820-1905) deutscher Dichter und Schriftsteller
Zwei von acht Strophen seines Gedichtes „Kolibri“
aus der Sammlung „Weltleben“
Foto Brigitte Fuchs
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Wunder
Fotos Brigitte Fuchs: „Kleiner Fuchs“ am blühenden Schnittlauch
Dass die Lerchen wieder singen,
Dass sich Schmetterlinge schwingen,
Gelb und schwarz mit goldnem Saum,
Dass sich grüne Gräser treiben,
Auch nicht eins zurück will bleiben,
Man glaubt es kaum.
(…)
Friedrich Theodor von Vischer (1807-1887) deutscher Philosoph, Lyriker und Erzähler
Erste von vier Strophen seines Gedichtes „Wunder“
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Credo
Fotos Brigitte Fuchs
Butterblumenwiese
Manche bauen Gedichte
um darin zu wohnen
andere fahren damit zur See
Ich will sie hinter mir lassen
wie eine Butterblumenwiese
deren Glanz
ich vor Augen hatte
als ich schrieb
Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“ Gedichte, edition 8, Zürich 2014
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Am See
Fotos Brigitte Fuchs: am Titisee im Schwarzwald
Im tiefen Walde einsam ruht
Der See mit dämmerblauem Schein,
Es zittert in die dunkle Flut
Des Sommers heisser Mittagsschein.
(…)
Fotos Brigitte Fuchs: Titisee
Ich stand am See und lauschte hinaus,
Als müsse ich ewig lauschen,
Als ob meiner Jugend toller Braus
Noch einmal vorbei muss′ rauschen.
Franz Alfred Muth (1839-1890) deutscher Geistlicher und Schriftsteller
Erste und letzte Strophe seines Gedichtes „Am See“
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Reise
Foto Brigitte Fuchs
Der Löwenzahn ist nun verblüht.
Der Frühlingswind hat leichtes Spiel:
Ein Hauch, ein Stoss, es braucht nicht viel
und alles fliegt und schwebt und sprüht.
Die Samenschirmchen reisen fort
auf wundersame Art und Weise.
Sie kennen nicht das Ziel, den Ort,
nicht mal den Sinn von Flug und Reise.
Brigitte Fuchs
Foto Brigitte Fuchs
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Mein Bruder Baum
Foto Brigitte Fuchs
Mein Bruder Baum, du stummer Beter:
Wir tauchen Stirn und Hand in reinen Äther
und werfen unser Jauchzen in den Wind.
Wir sind! Wir sind!
Karl Bröger (1886-1944) deutscher Arbeiterdichter
Aus der Sammlung „Höher mein Herz“
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Klischee
Fotos Brigitte Fuchs: Impressionen aus Baden/AG
So viel Frühsommer neue Wege und eigene
Füsse und das ist noch nicht mal alles
worauf sie steht andauernd spult sie den
immergleichen auffallend dokumentarischen
Streifen ab vor den Stadtlandflussaugen
die sie halb schliesst oder nach Belieben
aufreisst die Bildfolge zeigt eine auf hohem
Niveau geträumte Zusammenfassung von
Konversation und Leichtsinn noch im Winter
lassen sich diese kleinen lässlichen Sünden
wie Shampoo auf dem Haar verteilen
Brigitte Fuchs
Aus „Solange ihr Knie wippt“ Gedichte, edition 8, Zürich 2002
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Rast auf Wanderschaft
Fotos Brigitte Fuchs: Schluchsee im Schwarzwald
Der Lautsprecher sprach, doch ich hörte es nicht.
Er sprach zu dumm und zu laut. –
Ein Stiefmütterchen mit einem Bulldoggesicht
Hat mich angeschaut.
Wir sassen im Freien, gezwungen ganz frei,
In dem böhmischen Orte Grün.
Wir waren nicht reich, doch wir waren unsrer drei
Und Freunde. – Und Freundschaft macht kühn.
Das gelbe Mütterchen, braun getupft,
Konnte auch ein Schmetterling sein.
Ich hab’s abgerupft. Unser Herz hat gehupft.
Drei Freunde bei zwei Glas Wein.
Joachim Ringelnatz (1883-1934) deutscher Dichter, Kabarettist und Seefahrer
Aus „Und auf einmal steht es neben dir“ Gesammelte Gedichte, Büchergilde Gutenberg; Copyright by Karl H. Henssel Verlag Berlin 1950
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Vergissmeinnicht
Foto Brigitte Fuchs
Wohl tausend Mal hast Du gelobt,
Dass Du mich nicht vergisst!
Darf ich vielleicht die Frage tun,
Ob Du am Leben bist?
Vers-Text von Unbekannt auf einer Postkarte um 1910
Foto Brigitte Fuchs
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Wir Dichter
Fotos Brigitte Fuchs
Wir Dichter, wir Sylphen,
Wir singen und schweben,
Mit duftigem Flügel
Durchs fröhliche Leben.
Wir spielen im Lenze
Um Knospen und Blüthen,
Und nehmen, was duftend
Die Kelchlein uns bieten.
Senkt Stengeln und Zweigen
Die Krone sich nieder,
so regen wir mächtig
Das bunte Gefieder.
Und Schmetterlingsfarben
Umstreuen die Schwingen,
Sie Wäldern und Auen
Zum Schmucke zu bringen.
Wo lächelt uns ewig
Im Lenze das Leben;
Es ward uns: den Frühling
Zu nehmen und geben.
Gerhard Anton Gramberg (1744-1818) deutscher Stadt- und Landphysikus in Oldenburg, Schriftsteller
Foto Brigitte Fuchs
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