Archiv der Kategorie: Gedichte

Frühlingslied

 

 

Der Frühling verschleiert nun wieder
Die Erde ganz
Mir zartem Laubgefieder,
Mit Blütenglanz;
Nun eilet zum Tanz
Hier unter dem blühenden Flieder!

 

 

Von schwellenden Zweigen hernieder
Singt sehnlich bang
Die Drossel so liebliche Lieder;
Ertöne noch lang
Du süsser Gesang
Hier unter dem blühenden Flieder!

 

 

Schwermütige Liebe, komm wieder,
Du schönstes Glück!
Vom Dunkel der Sterne schweb nieder
Zur Erde zurück,
Du schönstes Glück,
Hier unter dem blühenden Flieder!

 

 

Hermann von Lingg (1820-1905) ab 1890 Ritter von Lingg, war ein deutscher Dichterarzt. Er schrieb Balladen, Dramen und Erzählungen

 

Alle Fotos Brigitte Fuchs

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 18 Kommentare

Die Herzensfrau

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Der Mittag liegt mit mir im Gras,

Die Wolken ziehn tiefblaue Strass,

Die Welt ist grün und weiss und blau,

Zu mir setzt sich die Herzensfrau.

»Rot,« spricht sie, »ist die ganze Welt,

Wenn man zum Kuss den Mund hinhält.«

 

 

Max Dauthendey (1867-1918) deutscher Dichter und Maler

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 12 Kommentare

Komm, sage mir, was du für Sorgen hast

Foto Brigitte Fuchs

 

(…)

In eines Holzes Duft
lebt fernes Land.
Gebirge schreiten durch die blaue Luft.
Ein Windhauch streicht wie Mutter deine Hand.
Und eine Speise schmeckt nach Kindersand.

Die Erde hat ein freundliches Gesicht,
so gross, dass man’s von weitem nur erfasst.
Komm, sage mir, was du für Sorgen hast.
Reich willst du werden? – Warum bist du’s nicht?

 

 

Joachim Ringelnatz (1883–1934) deutscher Dichter, Kabarettist und Seefahrer
Die letzten beiden Strophen des vierstrophigen Gedichtes „Komm, sage mir, was du für Sorgen hast“

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 20 Kommentare

Guten Tag, Frau Eule!

Foto Brigitte Fuchs: Zoo Zürich

 

 

Guten Tag, Frau Eule!
Habt Ihr Langeweile?
Ja, eben jetzt,
solang Ihr schwätzt!

 

 

Wilhelm Busch (1832-1908) deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 24 Kommentare

Mehr Mai

Foto Brigitte Fuchs

 

Und wenn auch hundert Jahr‘ ich
Noch zu leben hätt‘, ich würd mich
Stets von neuem doch erquicken
An dem Mai und seinen Wundern.

 

 

Joseph Victor von Scheffel (1826-1886) deutscher Schriftsteller und Dichter
Aus „Der Trompeter von Säckingen“ (1854)

 

Foto Brigitte Fuchs

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 32 Kommentare

Wiesenschaum

Foto Brigitte Fuchs: Wiesenschaumkraut

 

Kraut und Kräutchen
für die Braut und Leichtsinn
unters Kleid einen Schimmer
Rüschenrausch eine Wimper
ein Wimperchen Schwindel ein
bisschen Arm unter sie
ein klein bisschen Zauber ist
nicht Kräutchen noch Kraut
ist kein Kind mehr das Kind
läuft liebleicht hinaus

 

Brigitte Fuchs
Aus „Suchbild mit Garten“ Gedichte, Kukuruz Verlag. Lüchingen 1998

 

Foto Brigitte Fuchs: Wiesenschaukraut, pardon, Wiesenschaumkraut

 

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 24 Kommentare

Zum Welttag des Buches

Foto Brigitte Fuchs: Plakat aus dem Jahre 2009

 

 

Lesen und Schreiben

Der US-amerikanische Schriftsteller William Faulkner (2897-1962) empfahl, alles zu lesen von Schund bis zur Klassik, sowohl Gutes als auch Schlechtes, und beim Lesen darauf zu achten, wie es gemacht sei. Sich zu schulen also, wie es beispielsweise ein Schreinerlehrling tue. Das Lesen werde haften bleiben. Danach könne das Schreiben beginnen.

 

 

Das Bilderbuch

Von der Poesie sucht Kunde
Mancher im gelehrten Buch,
Nur des Lebens schöne Runde
Lehret dich den Zauberspruch;
Doch in stillgeweihter Stunde
Will das Buch erschlossen sein,
Und so blick ich heut hinein,
Wie ein Kind im Frühlingswetter
Fröhlich Bilderbücher blättert,
Und es schweift der Sonnenschein
Auf den buntgemalten Lettern,
Und gelinde weht der Wind
Durch die Blumen, durch das Herz
Alte Freuden, alten Schmerz –
Weinen möcht ich, wie ein Kind!

 

 

Joseph von Eichendorff (1788-1857) deutscher Schriftsteller

 

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 12 Kommentare

Schilflied

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Am stachen Seegestade,
Vom hohen Schilf umrauscht,
Geh’ ich auf ödem Pfade,
Von keinem Ohr belauscht.

Verschwunden meinen Blicken
Ist Turm und Binsendach,
Nur schlanke Halme nicken
Den flücht’gen Winden nach.

O Schilf mit lindem Flüstern,
O Schilf in stetem Schwung,
Verliehst wohl manchem düstern
Gemüt schon Sänftigung!

O neig auf schwankem Stamme’
Dich immer, immer zu,
Und lulle mir als Amme
Nun auch mein Herz in Ruh.

 

 

Johann Nepomuk Vogl (1802-1866) österreichischer Schriftsteller, Lyriker und Publizist

 

In eigener Sache:

Sorry: Hier geht es in den nächsten paar Tagen etwas reduziert zu.
Wir haben liebe Feriengäste zu Besuch und es bleibt daher wenig Zeit für den Austausch im Blog.

Die Beiträge erscheinen aber weiterhin täglich.

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 14 Kommentare

Die Lache

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Eine Wundertüte dieser Morgen da
greift man hinein und holt Erstaunliches

heraus eine enzianblaue Lache für die
man sich Kinderstiefel wünschte und

den Leichtsinn gleich dazu ein aus der
Fassung gebrochenes Katzenauge das

im Gegenlicht blinzelt eine freundliche
fremdländisch sprechende Stimme man

könnte alles in die Tasche stecken den
Retroreflektor samt Stimme und Lache

man könnte die leere Tüte aufblasen
und diesen wunderlich stillen Morgen

platzen lassen mit einem einzigen Knall

 

 

Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“ Gedichte, edition 8, Zürich 2014

 

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 20 Kommentare

Verzage nicht, mein Herz!

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Verzage nicht, mein Herz!
Das Ei kann Federn kriegen
und aus der engen Schale
zum Himmel fliegen.

 

 

Friedrich Rückert (1788-1866) deutscher Dichter

 

 

Veröffentlicht unter Bilder, Gedichte | 24 Kommentare