Archiv der Kategorie: Gedichte

Lob der Weine

Fotos Brigitte Fuchs: Rebhang beim Schloss Heidegg

 

 

Man sagt wohl: in dem Maien,
Da sind die Brünnlein g’sund –
Ich glaub’s nit, bei mein Treuen,
Es schwenkt ei’m nur den Mund
Und tut im Magen schweben,
Drum will mir’s auch nicht ein:
Ich lob die edlen Reben,
Die bring’n uns guten Wein.

Nun sei mir gottwillkommen,
Du edler Rebensaft!
Ich hab gar wohl vernommen,
Du bringst mir süsse Kraft,
Lässt mir mein G’müt nicht sinken
Und stärkst das Herze mein –
Drum wollen wir dich trinken
Und alle fröhlich sein.

 

Johann Fischart (1546-1591), genannt Mentzer, was wohl Mainzer bedeutet

 

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Verzeihlich

Foto Brigitte Fuchs: Fensterfolie beim Schloss Heidegg/LU

 

 

Er ist ein Dichter; also eitel.
Und, bitte, nehmt es ihm nicht krumm,
Zieht er aus seinem Lügenbeutel
So allerlei Brimborium.

Juwelen, Gold und stolze Namen,
Ein hohes Schloss im Mondenschein
Und schöne, höchstverliebte Damen,
Dies alles nennt der Dichter sein.

Indessen ist ein enges Stübchen
Sein ungeheizter Aufenthalt.
Er hat kein Geld, er hat kein Liebchen,
Und seine Füsse werden kalt.

 

 

Wilhelm Busch (1832-1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller
Quelle: Busch, W., Gedichte. Schein und Sein, 1909

 

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Morgendlicher Besucher

 

Vogel-Urtheil.

Als ich jüngst, mich zu erquicken,
Unter dunklen Bäumen sass,
Hört‘ ich ticken, leise ticken,
Zierlich, wie nach Takt und Maass.
Böse wurd‘ ich, zog Gesichter,
Endlich aber gab ich nach,
Bis ich gar, gleich einem Dichter,
Selber mit im Tiktak sprach.

 

 

Wie mir so im Versemachen
Silb‘ um Silb‘ ihr Hopsa sprang,
Musst ich plötzlich lachen, lachen
Eine Viertelstunde lang,
Du ein Dichter? Du ein Dichter?
Stehts mit deinem Kopf so schlecht? —
„Ja, mein Herr! Sie sind ein Dichter!“
— Also sprach der Vogel Specht.

 

Friedrich Nietzsche (1844-1900) deutscher Philosoph, Essayist, Schriftsteller und Lyriker

 

Alle Fotos Brigitte Fuchs: Grünspecht

 

 

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Rose

 

Rose

 

 

is a rose

 

 

is a rose

 

 

is a rose

 

Gertrude Stein (1874-1946) US-amerikanische Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstsammlerin

Der Satz „Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“ wurde von Gertrude Stein als Teil des Gedichts „Heilige Emily“ von 1913 geschrieben, das 1922 in dem Buch „Geographie und Theaterstücke“ erschien. In diesem Gedicht ist das erste „Rose“ der Name einer Person.

 

 

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Danke der gütigen Nachfrage

Es ist durchaus denkbar ohne
Lyrik zu leben. Kräuterbäder
und Kranzniederlegungen sind
zumutbare Alternativen und
eine Rose ist eine Rose
ist eine Stütze auch so.

 

 

Brigitte Fuchs
Aus „Solange ihr Knie wippt“, Gedichte, edition 8, Zürich 2002
Das Gedicht bezieht sich sowohl auf Gertrude Stein „Rose is a rose is a rose is a rose“
als auch auf den Gedichtband von Hilde Domin mit dem Titel „Nur eine Rose als Stütze“

 

Foto Brigitte Fuchs

 

 

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Wenn es Abend wird über dem Tal

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Gegen Abend

Nun hängt nur noch am Kirchturmknopf
Der letzte Sonnenschein;
Bald werden auch die Höhen
Ganz ohne Sonne sein.

Und Silberglanz dann überall;
Des Mondes blasses Licht
Umschüttet unsre Laube,
Umleuchtet dein Gesicht.

(…)

 

Otto Julius Bierbaum (1865-1910) deutscher Journalist und Schriftsteller
Erste beiden Strophen des dreistrophigen Gedichtes „Gegen Abend“
Aus der Sammlung „Abend und Nacht“

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Herbstbeginn

Fotos Brigitte Fuchs

 

Es leuchten die Winden am Wege schneeweiß,
Es strotzen die Kolben am gilbenden Mais,
Wie schwellede Kugeln aus Kupfer und Gold
Sind die Früchte des Kürbis dem Acker entrollt.

Schon webt im Gehölze ein gelbliches Licht,
Bleichflammend die Herbstzeitlose aufbricht.
Vom nächtigen Grün des Blattes umkränzt
In Ebenholzschwärze die Einbeere glänzt.

September, September – wildgellend hallt
Der Schrei des Falken über dem Wald,
Die Schlange, noch einmal abstreift sie ihr Kleid,
Zum letzten Empfange der Sonne bereit.

Die Hummel zieht tönend die trächtige Bahn
Im Honigklee und im Thymian.
Die Baldachinspinne ihr Silberwerk spinnt,
Der süße Seim aus den Birnen rinnt.

Mit panischem Warnruf die Drossel entflieht,
Verzaubert steht die Libelle im Ried,
Der Wein auf den Mittagshügeln kocht.
Es gilbt der Kranz, den der Sommer flocht.

Schon morgen klirren die Blätter wie Glas,
Schon morgen prallen die Früchte ins Gras,
Schon morgen richten aus kreisendem Flug
Die Schwalben zum Süden den pfeilenden Zug.

 

Hans Leifhelm (1881 – 1947) österreichischer Lyriker

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Vom Spaziergang mitgebracht…

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Immer wieder

Der Winter ging, der Sommer kam.
Er bringt aufs neue wieder
Den vielbeliebten Wunderkram
Der Blumen und der Lieder.

Wie das so wechselt Jahr um Jahr,
Betracht ich fast mit Sorgen.
Was lebte, starb, was ist, es war,
Und heute wird zu morgen.

Stets muss die Bildnerin Natur
Den alten Ton benützen
In Haus und Garten, Wald und Flur
Zu ihren neuen Skizzen.

 

 

Wilhelm Busch (1832-1908) deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Zwei Heimgekehrte

Foto Brigitte Fuchs: Wanderer zum Hohen Kasten/AI

 

 

Zwei Wanderer zogen hinaus zum Tor,
Zur herrlichen Alpenwelt empor.
Der eine ging, weil’s Mode just,
Den andern trieb der Drang in der Brust.

Und als daheim nun wieder die zwei,
Da rückt die ganze Sippe herbei,
Da wirbelt’s von Fragen ohne Zahl:
»Was habt ihr gesehn? Erzählt einmal!«

Der eine drauf mit Gähnen spricht:
»Was wir gesehn? Viel Rares nicht!
Ach, Bäume, Wiesen, Bach und Hain,
Und blauen Himmel und Sonnenschein!

«Der andere lächelnd dasselbe spricht,
Doch leuchtenden Blicks, mit verklärtem Gesicht:
»Ei, Bäume, Wiesen, Bach und Hain,
Und blauen Himmel und Sonnenschein!«

 

Anastasius Grün (1808-1876) österreichischer Politiker und Lyriker

 

Foto Brigitte Fuchs: Wandergruppe im Appenzellerland

 

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Und bittet so rührend, so weich

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Ein Lächeln, dem Trübsinn entsprungen,
Wo alle nach Glücksrausch begehren…
Ihr Töne, so lieblich erklungen, –
Kein zweites Mal werd ich euch hören!

(…)

Was führt es so traurig-gelassen,
So zart in sein farbschönes Reich,
Will zärtlich das Herz es umfassen
Und bittet so rührend, so weich?

 

Afanassi Afanassjewitsch Fet (1820-1892) russischer Philosoph und Dichter
Zwei von drei Strophen des Gedichtes „Ein Lächeln, dem Trübsinn entsprungen“

 

 

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Dorf am See

Fotos Brigitte Fuchs: Beckenried, Kanton Nidwalden am Vierwaldstättersee: Schiffsstation

 

 

Mein Dorf

III.

Du liegst, mein Dorf, ein braunes Lamm,
So hart am Seegelände,
Als hätten dich vom Felsenkamm
Gestürzt des Sturmes Hände.

Doch schmiegst du dich so selig weich,
Als hielt‘ am Sonntagmorgen
Der Gotteshirte gnadenreich
Sein Lamm im Arm geborgen.

 

Isabelle Kaiser (1866-1925) Schweizer Schriftstellerin aus Beckenried / NW, die in Genf aufwuchs und darum französisch und deutsch schrieb.
Aus der Sammlung „Heimat und Ferne“

 

Fotos Brigitte Fuchs: Gedenkbrunnen zu Ehren der Dichterin in Beckenried

 

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