Archiv der Kategorie: Gedichte

Neues Leben

Foto Brigitte Fuchs: Herbst am Bodensee bei Rorschach

 

 

Still und hell ist mein Gemüt,

Wie im Herbst ein Sonnentag,

Und doch fühl‘ ich, daß im Innern

Wie durch Lenzes Zauberschlag

Eine junge Schöpfung blüht.

 

Hast du noch nicht ausgeglüht,

Meiner Jugend Sonnenschein,

Und wenn jetzt der Winter käme,

Würd‘ er mir in Blüten schnein,

Wie im ewigjungen Süd?

 

(…)

Paul Heyse (1830-1914) deutscher Schriftsteller und Nobelpreisträger 1910
Zwei von vier Strophen des gleichnamigen Gedichts

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Blattgold

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Gegen Asymmetrie hat sie
nichts einzuwenden
zumal ihr der Herbst
neuerdings Avancen macht

Blatt für Blatt
auf diesem schiefbeinigen
Blechtisch im
Restaurantgarten

Mit Fotos lässt sich wenig
erklären auch nicht
mit einer Handvoll Ahornlaub
in Bronze und Gold

Lieber hält sie sich
an die Rätsel der Bäume
die der Wind löst um sie später
vom Platz zu fegen

 

Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“ Geichte, edition 8, Zürich 2014

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Die Berge zum Greifen

Foto Brigitte Fuchs: Katzenkrüge (wie unserer damals in der Kindheit), gesehen im Landhaus Ettenbühl

 

 

Bisweilen kehren die Dinge wieder
an ihren angestammten Platz zurück
alte Dias hinter Glas der Keramikkrug
in Katzenform die Pinien der Zeltplatz
am Meer eine lose Zeile aus Vaters
Werkstatt: Sei dir nicht mehr fremd als
nötig! Da seh ich dann alles sehr nah
was uns war die Kindheit ein Spiel eine
Hüpfburg die Berge zum Greifen und
der Stein in der Faust ein Versprechen

 

Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“ Gedichte, edition 8, Zürich 2014

 

Foto Brigitte Fuchs: Die Churfirsten, vom Walensee aus fotografiert.

 

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Komm …

Fotos Brigitte Fuchs:
Landhaus Ettenbühl mit englischem Flair in Bad Bellingen-Hertingen, das wir auf der Reise nach Badenweiler besichtigt haben.

 

Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade ·
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimm das tiefe gelb · das weiche grau
Von birken und von buchs · der wind ist lau ·
Die späten rosen welkten noch nicht ganz ·
Erlese küsse sie und flicht den kranz ·

Vergiss auch diese letzten astern nicht ·
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

 

Stefan George (1868-1933) deutscher Dichter

 

Fotos Brigitte Fuchs: Landhaus Ettenbühl mit Gartenanlagen

 

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Mein Garten

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen,

Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern,

Dem Diamantentau, den Wappengittern,

Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen,

Die ehernen, und den Topasmäandern

Und der Volière, wo die Reiher blinken,

Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken …

So schön, ich sehn mich kaum nach jenem andern,

Dem andern Garten, wo ich früher war.

Ich weiss nicht wo … Ich rieche nur den Tau,

Den Tau, der früh an meinen Haaren hing,

Den Duft der Erde weiss ich, feucht und lau,

Wenn ich die weichen Beeren suchen ging …

In jenem Garten, wo ich früher war …

 

 

Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) österreichischer Dichter, Dramatiker und Erzähler

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Herbst

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Astern blühen schon im Garten;
Schwächer trifft der Sonnenpfeil
Blumen, die den Tod erwarten
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Heide,
Blätter zittern durch die Luft.
Und es liegen Wald und Weide
Unbewegt in blauem Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht.
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer,
Welke Rosen, reife Frucht.

 

Detlev von Liliencron (1844-1909) deutscher Lyriker, Prosa- und Bühnenautor

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Résumé

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Wie ähnlich sie sich sind unsere Cafés
und Tearooms die Gartenlauben

altgediente Schreiborte vereinzelt
sitzen wir da und denken gegen die

Zeit an reihen Wörter und ein paar
glückliche Wendungen aneinander

was finden wir denn ausser Wolken
die vorbeitreiben mal eilig mal träge

Die Kritzel im Notizheft sind uns selten
mehr als ein Schluck Wasser im Glas

 

Brigitte Fuchs
Aus «Es tanzt der Stein», Gedichte,  edition 8, Zürich 2014

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Der Hügel

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Wie wundersam ist doch ein Hügel,
der sich ans Herz der Sonne legt,
indes des Winds gehaltner Flügel
des Gipfels Gräser leicht bewegt.

Mit buntem Faltertanz durchwebt sich,
von wilden Bienen singt die Luft,
und aus der warmen Erde hebt sich
ein süsser, hingegebner Duft.

 

Christian Morgenstern (1871-1914) deutscher Dichter

 

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Steht recht nett

Foto Brigitte Fuchs: Salbei

 

 

Salvia farinacea Viktoria.
Blauviolett.
Lippenblütler. Blaue Königin.
Was sieht der Rittersporn
verächtlich auf sie nieder.
Küchenkraut. Nichts weiter.
Kein blaues Blut. Den Rispen
rückt die Schere hart zu Leibe.
Und im September führt Rudbeckia
sonnengelb mit schwarzem Hut
das Zepter.

 

Brigitte Fuchs
Aus „Das Blaue vom Himmel oder ich lebe jetzt“, Gedichte, Glendyn Verlag, Aarau 1993

 

Foto Brigitte Fuchs: Sonnenhut

 

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Meck, meck, meck, meck

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

An meiner Ziege hab ich Freude
´s ist ein wunderschönes Tier
Haare hat sie wie aus Seide
Hörner hat sie wie ein Stier
Meck, meck, meck, meck

Sie hat ein ausgestopftes Ränzel
wie ein alter Dudelsack
und ganz hinten hat´s ein Schwänzel
wie ein Stengel Rauchtabak
Meck, meck, meck, meck

 

Kinderreime aus Böhmen, Verfasser unbekannt

 

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