Archiv der Kategorie: Texte

Jeder Tag…

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Jeder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht beim Toscana-Garten steht Schilf, und Weiden und Haselstauden hängen über,
ein Vogel flüchtet, und alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen.
Nebel zieht herüber, du lassest die Ruder sinken, und niemand, niemand stört dich!

 

Peter Altenberg (1859-1919) Pseudonym für Richard Engländer, österreichischer Schriftsteller und Kabarettautor

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Die Olive

Fotos Brigitte Fuchs

 

Die Einsamkeit nimmt zu. Mehr und mehr fühlt man sich allein auf der Welt. Die einen sind in die ewige Heimat gegangen, das Leben der anderen spielt sich mehr und mehr abseits des unseren ab; man kommt sich vor wie die Olive, die nach der Ernte allein am Ende eines Zweiges hängen blieb und vergessen wurde. In unserem Alter kommt einem dieser Vergleich aus der Bibel oft in den Sinn.

 

Charles de Foucould (1858-1916) französischer Forscher, Offizier des französischen Heeres, Priester, Mönch und Eremit

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Ach! Freude!

Fotos Brigitte Fuchs

 

Ach! Freude!
Ist das nicht ein Stückchen Frühling in der Seele?
So etwas wie Morgenrot und Maientau
und Rosenduft und Finkenschlag?
So etwas, wovon sie ganz hell, frisch und leicht wird?

 

 

Ida Hahn-Hahn (1805-1880) deutsche Schriftstellerin, Lyrikerin und Klostergründerin

 

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Ein unspektakulärer Mittwoch

Foto Brigitte Fuchs

 

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Ein unspektakulärer Mittwoch.
Kater Emilio hingegen sinniert,
sein Revier zu verlassen.

 

 

Viktor Steinhauser, *1956, Schweizer Geologe, Pädagoge, Schriftsteller und Lyriker
Aus „Abtauchen“, Kürzestgeschichten & Miniaturen, pamal-verlag, Ebikon 2019
Mit Erlaubnis des Autors

 

 

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Auf der Strasse…

Fotos Brigitte Fuchs: Homberg

 

 

Auf der Strasse, die man gehen muss, dankt man für eine wohltätige Bank, die ein Menschenfreund dem müden Wandrer hingesetzt hat, oder für eine liebliche Allee weit mehr, als wenn man sie in einem Lustgarten findet, an dem man hätte vorübergehen können.

 

 

Friedrich Schiller (1759-1805) deutscher Dichter, Philosoph und Historiker
Zitiert aus einem Brief an Christian Gottfried Körner vom 7. Januar 1788

 

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Wilde Orchideen

Fotos Brigitte Fuchs:
Wilde Orchidee mit dem Namen „Grünliche Waldhyazinthe“ oder im Volksmund „Berg-Kuckucksblume“

 

 

Du solltest nur seltene und heimliche Worte schreiben. Du solltest in den Schatzkammern der Sprache Worte suchen, die noch nie in einer Zeitung
und in keinem Ullsteinbuche je gestanden haben. Worte, die den verlorenen
Duft der Einsamkeit haben. Worte, die fremd sind und wie Orchideen an
den Wurzelstöcken der ewigen Wälder.

 

 

Victor Auburtin (1870-1928) deutscher Journalist aus einer französischen Emigrantenfamilie. Feuilletonist, Auslandskorrespondent (für das Berliner Tagblatt) und satirischer Moralist
Textpassage aus „Rat an den Schriftsteller“ in „Sündenfälle“

 

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Oft pflücke ich auch keine Blumen…

Foto Brigitte Fuchs

 

»Habt ihr etwa ein Buch mit euch genommen, um auf dieser Bank zu lesen«, fragte ich, »oder habt ihr nicht Blumen gepflückt?«

»Ich habe kein Buch mitgenommen und habe keine Blumen gepflückt«, antwortete sie, »ich kann nicht lesen, wenn ich gehe, und kann auch nicht lesen, wenn ich im freien Felde auf einer Bank oder auf einem Steine sitze.«

Wirklich sah ich auch gar nichts neben ihr, sie hatte kein Körbchen oder sonst irgend etwas, das Frauen gerne mit sich zu tragen pflegen, um Gegenstände hinein legen zu können; sie sass müssig auf dem Bänklein, und ihr Strohhut, den sie von dem Haupte genommen hatte, lag neben ihr in dem Grase.

»Die Blumen pflücke ich«, fuhr sie nach einem Weilchen fort, »wenn sie bei Gelegenheit an dem Wege stehen. Hier herum ist meistens der Mohn, der aber wenig zu Sträussen passt, weil er gerne die Blätter fallen lässt, dann sind die Kornblumen, die Wegnelken, die Glocken und andere. Oft pflücke ich auch keine Blumen, wenn sie noch so reichlich vor mir stehen.«

 

 

Adalbert Stifter (1805-1868) österreichischer Schriftsteller, Pädagoge und Maler
Textauszug aus der Erzählung „Der Nachsommer“

 

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Nach dem Regen

Fotos Brigitte Fuchs

 

Feuchtgebiete rings umher,
das Wiesengelb von Nässe schwer.
Sachte tropft es von den Ästen,
von verwaisten Vogelkästen.
Doch der sonnengelbe Glanz
rüstet auf zu neuem Tanz.

 

Brigitte Fuchs

 

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Ein blauer Nachmittag

Fotos Brigitte Fuchs: Hallwilersee

 

 

Zum Wandern lockt der Uferweg.
Den Fischern dient der Landesteg.

Man segelt, rudert, schwimmt, geniesst,
legt sich ins Gras zum Sonnenbaden,
kühlt in der Flut die heissen Waden,
befreit das Baby von den Söckchen,
wirft Bälle für den Hund und Stöckchen:
Es gibt nichts, was uns heut‘ verdriesst.

Im Kursschiff geht es dann zurück
samt Frohsinn, Müdigkeit und Glück.

 

 

Brigitte Fuchs

 

Fotos Brigitte Fuchs: Hallwilersee

 

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Der Gang aufs Land

Foto Brigitte Fuchs: Wynental

 

 

Aber schön ist der Ort, wenn in Feiertagen des Frühlings

Aufgegangen das Tal, wenn mit dem Neckar herab

Weiden grünend und Wald und all die grünenden Bäume

Zahllos, blühend weiss, wallen in wiegender Luft,

Aber mit Wölkchen bedeckt an Bergen herunter der Weinstock

Dämmert und wächst und erwarmt unter dem sonnigen Duft.

 

 

Friedrich Hölderlin (1770-1843) deutscher Dichter
Letzte Zeilen aus seinem Langgedicht „Der Gang aufs Land“

 

 

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