Archiv der Kategorie: Texte

Das neue Paradies

Foto Brigitte Fuchs

 

Hol es der Henker«, rief Gott, »jetzt ist meine Geduld zu Ende; der ganze Planet muss weg, zerschmissen muss er werden, sonst verschandelt er mir die Schöpfung.« Und in furchtbarem Grimm ballte er die Faust und hielt sie über die kleine braune Kugel, die da zischend und knisternd und schwelend und stinkend durch den Äther zog.

 

Foto Brigitte Fuchs: Schwalbenschwanz

 

Aber er schlug nicht zu, sondern streckte die Hand wieder in die Hosentasche, und seine Miene wurde milder. »Nein«, sprach er vor sich hin, »man muss sich alles überlegen. Es wäre schade um die Schmetterlinge.«

 

Victor Auburtin (1870-1928) deutscher Journalist und Schriftsteller
Aus „Das neue Paradies“

 

Foto Brigitte Fuchs: Schwalbenschwanz

 

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Ein Frühlingstag wie aus dem Bilderbuch

Fotos Brigitte Fuchs

 

Vorgestern – das Wetter hätte einladender nicht sein können – machten wir uns auf ins Baselbiet.
Hausfrau Hanna wird den geschichtsträchtigen Ort gleich erkennen (nicht nur anhand der Tafel „Froschwanderung“ oder dem Hinweis „Ab uff d’Sogge!“).

Für die anderen Blogbesucherinnen und -besucher gibt es nachstehend ein paar Informationen.

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

Die Ermitage in Arlesheim, heisst es in den Beschreibungen dieses beliebten Ausflugsziels, sei der grösste englische Landschaftsgarten der Schweiz. In die Anlage sind naturgegebene Elemente wie das romantische Gobenmatttal und der Burghügel mit seinen Höhlen und Grotten einbezogen worden.

Die vorhandenen Bauten der Schlossruine Birseck (der Mühle, der Tabakstampfe und der Büchsenschmiede) bilden ebenfalls wesentliche Bestandteile des romantischen Gartens. Die drei Weiher wurden früher zur Fischzucht genutzt. Mit verzweigten Wegen, Aussichtspunkten, Plätzen, Kleinbauten und Denkmälern und mit dem geschickten Einbezug der Sträucher und Bäume, sowie mit der Schaffung von Sichtachsen ist zum Ende des 18. Jahrhunderts eine naturnah wirkende, aber kunstvoll gestaltete und arrangierte Gartenanlage entstanden.

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

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Vom Lesen

Fotos Brigitte Fuchs

 

Wenn ich im Lesen eine schwere Stelle finde, die ich nicht verstehen kann, so beisse ich mir deswegen die Nägel nicht ab, sondern lasse es, nachdem ich sie ein- oder ein paarmal beleuchtet habe, dabei bewenden. Wenn ich mich darauf erpichte, würde ich mich und meine Zeit verderben, denn mein Kopf wird leicht stutzig; was er nicht im ersten Anlauf lernt, das lernt er noch weniger, wenn er angestrengt wird. Ich tue nichts ohne Frohsinn, und zu langes und anhaltendes Nachsinnen trübt meinen Verstand…

 

 

Michel de Montaigne (1533-1592) französischer Jurist, Philosoph und Essayist

 

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Wir andern…

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Es gibt keinen Nicht-Romantiker, und wenn es einen gäbe, so müsste er seinen Standort an einem Weltpunkt wählen, wohin nicht Licht noch Ton dringt. Wir andern sind Sonnenanbeter, wes Bekenntnis wir sonst sein mögen, im Regenbogen erblicken wir noch etwas Anderes als eine prismatische Lichtzerlegung, ein Wald erzählt uns von andern Dingen, als von seinen Kubukmetern Holz, ein Vogellied berührt uns nicht nur mit soundsoviel Schallschwingungen in der Zeiteinheit.

 

 

Alexander Moszkowski (1851-1934) deutscher Schriftsteller und Satiriker polnisch-jüdischer Herkunft
Text aus dem Internet

 

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Einsamkeit

Foto Brigitte Fuchs

 

…es gibt nur eine Einsamkeit, und die ist gross und ist nicht leicht zu tragen, und es kommen fast allen die Stunden, da sie sie gerne vertauschen möchten gegen irgendeine noch so banale und billige Gemeinsamkeit, gegen den Schein einer geringen Übereinstimmung mit dem Nächstbesten, mit dem Unwürdigsten … Aber vielleicht sind das gerade die Stunden, wo die Einsamkeit wächst; denn ihr Wachsen ist schmerzhaft wie das Wachsen der Knaben und traurig wie der Anfang der Frühlinge.

 

Rainer Maria Rilke (1875-1926) Lyriker deutscher Sprache
Aus „Briefe an einen jungen Dichter“

 

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Genies und Ziegen

Foto Brigitte Fuchs

 

Genies gehen ihren eigenen Gang wie Ziegen. Daher nennt sie auch der Italiener capricciosi (Sonderlinge, eigentlich Sprüngemacher, von capra = Ziege).
Sie klettern über Höhen und Abgründe leicht hinweg, während Schafe ruhig dem Leithammel folgen.

 

Karl Julius Weber (1767-1832) deutscher Privatgelehrter, Hofrat und Schriftsteller

 

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Dunkel war’s, der Mond schien helle

Foto Brigitte Fuchs

 

Vom Nonsens-Gedicht „Dunkel war’s, der Mond schien helle“, das von einem unbekannten Verfasser vermutlich im 19. Jahrhundert geschrieben wurde, gibt es unzählige Varianten. Die folgende soll aus dem Jahre 1902 stammen:

 

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
Eis lag auf der grünen Flur,
Als ein Wagen mit Blitzesschnelle
Langsam um die Ecke fuhr.

Darin sass ein blonder Jüngling,
Dessen rabenschwarzes Haar
Von der Fülle seiner Jahre
Schon ganz weiss geworden war.

 

Von Unbekannt

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Draussen

Foto Brigitte Fuchs

 

(…)

 

Donner alle! Was ist das,
Das vom Fenster regnet?
Garstge Hexe, kotignass,
Hast mich eingesegnet.
Regen, Hunger, Frost und Wind
Leid ich für das Teufelskind,
Werde noch gehudelt!
Wetter auch! Ich packe mich!
Böser Dämon, tummle dich,
Habe satt gedudelt!
Draussen, draussen Saus und Braus!
Fahre wohl – Ich geh nach Haus.

 

Friedrich Schiller (1759-1805) deutscher Dichter
Letzte Strophe seines Gedichtes „Baurenständchen“

 

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Grüezi!

Collage Brigitte Fuchs

 

 

Wie es geht

 

Sie war eine ganz kleine Schauspielerin des Sommertheaters, hatte Himmels-Augen und hungerte.
»Ich möchte Ihnen einmal Jeane Eyre vorspielen« sagte sie zu einem jungen Schriftsteller.
»Kommen Sie zu mir« sagte er.
»Oh«, sagte sie, »erlauben Sie es mir?!«
Sie spielte es ihm vor.
Er lobte sie, brachte sie in eine glückliche Stimmung.
Dann küsste er sie, drückte sie an sich – – –.
»Gott beschütze mich« sagte sie und überliess sich dem Schicksale.
Sie behielt ihre Himmels-Augen, hungerte und deklamirte Jeane Eyre, ihre Glanzrolle – – –.

 

Peter Altenberg (1859-1919) österreichischer Schriftsteller

 

P.S. Jane Eyre (wie es im Original heisst) ist eine Autobiografie, die im Jahr 1847 unter dem Pseudonym Currer Bell erschien. Sie ist der erste veröffentlichte Roman der britischen Autorin Charlotte Brontë und wurde zum Klassiker des 19. Jahrhunderts.

 

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Sie müssen wissen…

Fotos Brigitte Fuchs

 

Sie müssen wissen, mein Herr, dass ich das Vergnügen,
das wir in einem Garten geniessen, als eine der unschuldigsten
Freuden des Lebens erachte.
Ein Garten war die Wohnung unseres ersten Elternpaares vor
dem Sündenfall. Daher ist er von Natur aus dazu geeignet,
das Gemüt mit Stille und Frieden zu erfüllen und alle seine
stürmischen Leidenschaften zur Ruhe zu bringen.

 

Joseph Addison (1672-1719) englischer Dichter, Politiker und Journalist

 

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