Sinkender Himmel

Foto Brigitte Fuchs

 

Du Herz, das immer die Sterne begehrte,
Für jeden Wunsch verschenkt sich ein Traum.
Sieh, schon neigt sich der abendverklärte
Himmel zu dir, und du fasst es kaum.

Neigt sich und neigt sich. Und in sein Sinken
Hebt die Erde verschreckt ihr Gesicht,
Und wie mit purpurnen Lippen trinken
Die Höhen das letzte löschende Licht.

Alle Bäume schon müssen ihn fühlen,
Steil greift ihr Schmerz in den Abend empor,
Und mit den zitternden Armen wühlen
Sie sich in den samtenen Sternenflor.

Und tiefer rauschen die Wolkenfernen.
Schon streifen sie dich, wie ein Kuss, wie ein Kleid,
Und wiegen nun sanft mit den silbernen Sternen
Dein Herz in die nahe Unendlichkeit.

 

Stefan Zweig (1881-1942) österreichischer Schriftsteller und Lyriker

 

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10 Antworten auf Sinkender Himmel

  1. rosadora sagt:

    – Und wiegen nun sanft mit den silbernen Sternen
    Dein Herz in die nahe Unendlichkeit.-
    das klingt nach sterben und unendlich traurig. freitod und 61 jährig und 1943
    also krieg. der schnee wie ein leichentuch.
    genieße den tag
    rosadora

  2. Quer sagt:

    Ja, das war eine harte Zeit. Und doch sind unendlich schöne Gedichte entstanden. Mir scheint es zärtlichschön, trotz aller Trauer.
    Geniesse auch den neuen Tag!
    Lieben Gruss.

  3. Finbar sagt:

    Wirklich ein herausragendes Poem …
    Wie eine feine Bergspitze im hohen Versgebirge.
    Dankeschön fürs Präsentieren!
    Herzliche Morgengrüße vom Lu

  4. Quer sagt:

    Es war mir eine Freude, lieber Lu.
    Auch dir ein Dankeschön und frohen Gruss in den Sonntag.

  5. ingrid sagt:

    zwischen begehren und vergehen ….
    liebe grüße zu dir
    ingrid

  6. Quer sagt:

    Ja, da irgendwo dazwischen.
    Liebe Grüse zurück zu dir.

  7. Eva sagt:

    So kommt uns der Tod entgegen, und wir können ihm begegnen … vielleicht so.

    Ein wunderbares Gedicht.
    Hab einen schönen Tag und liebe Grüße aus ganz sanft herabsinkendem Schnee
    von Eva

  8. Mona Lisa sagt:

    Voller Zärtlichkeit, Trost und auch Zuversicht.
    Danke für dieses mir noch unbekannte Gedicht.
    Genießen wir das Licht zu allen Tageszeiten.
    Liebe Grüße

  9. Quer sagt:

    So lese ich das auch, Mona Lisa.
    Ja, setzen wir auf das Licht!

    Beste Wüsche und liebe Grüsse zu dir.

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