Advent mit Tucholsky

Foto Brigitte Fuchs

 

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Weihnachten

Nikolaus der Gute
kommt mit einer Rute,
greift in seinen vollen Sack –
dir ein Päckchen – mir ein Pack.
Ruth Maria kriegt ein Buch
und ein Baumwolltaschentuch,
Noske einen Ehrensäbel
und ein Buch vom alten Bebel,
sozusagen zur Erheiterung,
zur Gelehrsamkeitserweiterung . . .
Marloh kriegt ein Kaiserbild
und nen blanken Ehrenschild.
Oberst Reinhard kriegt zum Hohn
die gesetzliche Pension . . .
Tante Lo, die, wie ihr wißt,
immer, immer müde ist,
kriegt von mir ein dickes Kissen. –
Und auch hinter die Kulissen
kommt der gute Weihnachtsmann:
Nimmt sich mancher Leute an,
schenkt da einen ganzen Sack
guten alten Kunstgeschmack.
Schenkt der Orska alle Rollen
Wedekinder, kesse Bollen –
(Hosenrollen mag sie nicht:
dabei sieht man nur Gesicht . . . ).
Der kriegt eine Bauerntruhe,
Fräulein Hippel neue Schuhe,
jener hält die liebste Hand –
Und das Land? Und das Land?
Bitt ich dich, so sehr ich kann:
Schenk ihm Ruhe –
lieber Weihnachtsmann!

 

Kurt Tucholsky

 

 

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24 Antworten auf Advent mit Tucholsky

  1. merlin sagt:

    da hat der liebe weihnachtsmann aber schwer zu tragen…
    dass ihm da noch die bürde der verantwortung für das land aufgeladen wird, ist schon allerhand 😉
    den wunsch versteht man allerdings gut.
    bei uns ist es bestimmt weniger das materielle, das fehlt, als eben andere „dinge“… so komme ich schon morgens um sieben ins grübeln… uff.
    herzliche morgengrüsse durch den dichten nebel.

  2. Quer sagt:

    So sorgenvoll haben wir noch kaum je dem Weihnachtsmann und dem Christkind entgegengeblickt.
    Ein grosses Seufzen schicken wir zum Himmel…
    Und dabei hat der liebe Nikolaus doch auch nur zwei Hände. :–)

    Aber Grübeln hilft wenig, Merlin.
    Nimm den Tag von der heiteren Seite!
    Und sei lieb gegrüsst!

  3. mona lisa sagt:

    Würde der Weihnachtsmann Ruhe schenken können /dürfen, hätte er weniger zu schleppen und den Menschen ginge es vielleicht besser.
    Frisch getestet freue ich mich auf Begegnungen –
    vielleicht auch mit einem Weihnachtsmann 😉
    Dir einen fröhlichen, ruhigen Nikolaustag

  4. Quer sagt:

    Ruhe und vor allem Frieden ist das, was wir uns am meisten wünschen für weite Teile der Erde.
    Aber dafür sind die Möglichkeiten und Kompetenzen für den Weihnachtsmann wohl zu bescheiden…
    Dir einen begegnungsfrohen Tag und lieben Gruss.

  5. Gerhard sagt:

    Das Land kriegt keine Ruhe, das war schon immer so, selbst in grauer grauer Vorzeit, beim Lagerfeuer und Wildnis. Von daher nix Neues, da hilft auch kein Flehen.
    Da bin ich mit Tante Lo, die
    immer, immer müde ist,
    und ein ein dickes Kissen braucht.

    Liebe Grüsse
    Gerhard

  6. Quer sagt:

    Ein warmes, weiches Kissen ist wunderbar, oh ja,
    Und die Ruhe suchen wir am besten in uns selber – oder im Wald. :–)

    Frohe Grüsse zu dir.

  7. Britta sagt:

    ja, Frieden und Ruhe, das wünscht man sich wirklich, auch heute noch. Das stimmt auf der einen Seite nachdenklich, auf der anderen wiederum sollte man sich umso mehr über die Kleinen Dinge freuen, die der Klaus uns bringt. Ein gemütliches Chlause-Znacht zum Bespiel mit den Liebsten, das gibt’s heute bei uns. Und die Schulkinder sind schon ganz aufgeregt, wir besuchen heute den Samichlaus im Wald. Sie dabei begleiten zu dürfen und ihre Freude zu sehen ist Jahr für Jahr wieder schön.
    heitere Grüsse Britta

  8. Quer sagt:

    Euer Besuch beim Samichlaus im Wald ist sicher ein tolles Erlebnis, liebe Britta.
    Ich erinnere mich auch an ähnliche Begegnungen. :–)
    Und dort darf es dann auch fröhlich und lebhaft sein.

    Ja, seien wir dankbar für die kleinen, friedlichen Momente!
    Einen herzlichen Gruss zu dir und deiner vorfreudigen Klasse.

  9. Andrea sagt:

    ein wahrlich köstlich gereimtes gedicht, das den zeitgenossen im detail wohl noch mehr heiterkeit gebracht haben wird. aber man ahnt ja auch so, warum wem was gewünscht wird.
    den wunsch fürs land … den können wir auch heute noch an den nikolaus richten.

    liebe grüße, andrea

  10. Quer sagt:

    Das denke ich auch, Andrea.

    Dir einen lieben Gruss zum Nikolaustag.

  11. Sylvia sagt:

    oje, der arme! so viel zu tun und dann auch
    noch diese fast unmöglichkeit!
    was für eine schöne idee, den advent mit
    Tucholsky zu feiern, ganz vielen dank! ich
    lese stille mit…
    liebe grüße zur adventszeit
    Sylvioa

  12. Quer sagt:

    Mit solchen überdimensionierten Anforderungen ist der Nikolaus doch ständig konfrontiert. Der lächelt in seinen Bart und tut, was er kann. :–)

    Dein stilles Mitlesen freut mich, Sylvia.
    Sei herzlich gegrüsst!

  13. Ernst sagt:

    Ich finde Tucholsky immer wieder köstlich zum Lesen und schicke dir herzliche Chlaus Grüße. Ernst

  14. Quer sagt:

    Genau, Ernst, so geht es mir auch.
    Liebe Chlausgrüsse zurück zu dir.

  15. Anna-Lena sagt:

    Das muss man ja sagen, geizig ist der nicht! Ob aber alle zufrieden sind, sei dahingestellt 😉 .
    Ruhe für das Land – das ist eigentlich alles, was wir brauchen!

    Einen friedlichen Abend dir und herzliche Grüße
    Anna-Lena

  16. roswitha sagt:

    vielleicht sollte der nikolaus in pension gehen, er meint es so gut und die menschen wollen so viel. sie könnten ihm ja auch helfen dem land ruhe zu schenken, sollen sie doch einfach auf ihrem hintern sitzen und einem menschen einen brief zu weihnachten schreiben. diese ruhe währenddessen zumindestens, samstag um 15 uhr?
    herzlichen gruß, roswitha

  17. Quer sagt:

    Hi, hi: Deinen Vorschlag finde ich richtig gut, Roswitha.
    Ich würde das auch begrüssen. :–)

    Hab Dank und sei lieb gegrüsst!

  18. Sonja sagt:

    wäre doch ein jeder mensch mit einem winzigen stofftaschentuch als geschenk zufrieden, so dachte ich beim lesen und beim anblick des riesigen nikolaus, so traurig künstlich…
    Gruß von Sonja

  19. Quer sagt:

    Ganz genau, Sonja. Dafür plädiere ich auch.
    Lieben Morgengruss.

  20. mano sagt:

    ein herrlicher text zum schmunzeln und zum nachdenken. ich las, dass tucholsky es 1919 geschrieben hat. da war viel umbruch in europa. ruhe – und vor allem frieden – brauchen wir heute sehr dringend. aber auch kleine, tägliche freuden sollten nicht fehlen. ich backe gerade plätzchen!
    wohlduftende grüße
    mano

  21. Quer sagt:

    Das finde ich auch, Mano.
    Die damalige unruhige Zeit war der unseren gar nicht so unähnlich…
    Aber du sagst es, auch die kleinen Freuden darf man wahrnehmen und geniessen.
    Dir viel Spass bei der Weihnachtbbäckerei! :–)
    Ich glaube, den feinen Duft bis hierher zu riechen…
    Einen lieben Gruss.

  22. Lothar Lange sagt:

    Ach, wenn der gute Nikolaus doch allen Ländern der Erde Ruhe schenken würde…..

  23. Quer sagt:

    Ja, das wäre wunderbar – und vielleicht ein Wunder!

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