Aller Tage

Foto Brigitte Fuchs: Plakataushang in Full-Reuenthal

 

 

Frau Horwath liebt das Leben. Solange es

an mir hängt sagt sie und klopft den Staub

aus Horwaths Kittel. Das Erinnern hebt sie

sich für später auf wie die Verabredungen der

Männer. Die Villa im Park steht seit Monaten

zum Verkauf. Abends spielt Frau Horwath mit

der intakten Hand Klavier: Mozart Chopin

Liszt. Rings in den Blumenbeeten propagiert

der Sommer seinen Sinn für Schönheit.

 

Brigitte Fuchs
Aus „Handbuch des Fliegens“ Gedichte, edition 8, Zürich 2008

 

 

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24 Antworten auf Aller Tage

  1. Britta sagt:

    Wunderschön geschrieben. Leise aber kraftvoll. Danke!
    Heitere Sommergrüsse Britta

  2. merlin sagt:

    frau horvath scheint eine grande dame zu sein.
    offenbar lauschen diverse verehrer ihrem klavierspiel.
    wäre an der fortsetzung der geschichte interessiert 😉
    herzliche morgengrüsse und einen schönen tag dir.

  3. Quer sagt:

    Das kommt mir auch so vor.
    Sie steht irgendwie über den profanen Dingen. :–)
    Lieben Dank, Merlin, und auch dir einen schönen, bezaubernden Tag!

  4. Eva sagt:

    „Die Verabredungen der Männer“ (was das alles sein könnte …) können warten, erst einmal spielen, spielen …

    Ha! Sei herzlich gegrüßt von Eva

  5. Quer sagt:

    Sie lässt sich den Takt nicht vorgeben. :–)
    Man meint, sie spielen zu hören.

    Sei auch herzlich gegrüsst da oben im Norden, liebe Eva!

  6. seelenruhig sagt:

    Wie schön – alte und selbstbestimmte grandes dames! liebe Grüße von Ellen

  7. Andrea sagt:

    diese frau horvath wird in diesem gedicht aquarellartig ins bild gesetzt. einzelne linien, die einen umriss und mehr noch ein gefühl für diese frau horvath vermitteln, ohne dass diese einzelnen linien zu einem (geschlossenen) ganzen (also einer „echten“ geschichte) verbunden werden. das mag ich sehr!

    zudem sehe ich zwei eigentlich gegenläufige „strömungen“, denn neben dem vorherrschenden positiven gefühl, das ich dieser frau zuordne (als kunstsinnig, mit großem sinn für schönheit ausgestattet, auch mit einem „aktiven sinn“ fürs leben), finden sich hinweise auf unglückliches: so scheint sie nur noch eine hand zu haben, die sie bewegen kann, ihre (?) villa steht zum verkauf. staub hängt in „horvaths kittel“ (ich denke, dass das ihr mann ist – genauer: war. sonst wäre der kittel nicht staubig). vergangene jugend? vergangener wohlstand? vergangene größe? vergangene unversehrtheit? –

    sie erinnert sich nicht (und so erfahren wir auch nichts), bzw. verschiebt sie das erinnern. und sie verschiebt die verabredungen der männer. letzteres verstehe ich nicht ganz, denn genau genommen wären das verabredungen von männern untereinander (sonst müsste es ja heißen: verabredungen mit männern). ich habe mich entschieden das so zu lesen, dass sie verschiebt, was (irgendwelche) männer über sie/über ihr leben/ übers leben verabredet haben. sie verschiebt also das, das männer bestimmt haben, wie leben auszusehen hat.

    am ende des gedichts höre ich förmlich fröhlich-perlende klaviermusik (vielleicht ein wenig ungewohnt, weil einhändig) und ich sehe die blumenpracht, die fast programmatisch ästhetisch diesen „besuch bei der alten dame“ beendet.

    nochmal: mir gefällt das sehr, sehr gut, wie du hier in so offener, fast loser manier etwas letztlich doch so kompaktes (was nämlich die stimmung angeht) geschaffen hast.

    liebe grüße
    andrea

  8. Quer sagt:

    Wow! So viel schön Geschriebenes, Erklärendes, Erhellendes zu den paar Gedichtzeilen.
    Ich bin schwer beeindruckt, liebe Andrea, zumal ich alle Vermutungen und Umschreibungen so stehen lassen kann. Ja, diese Fülle (und sie reicht wohl noch nicht mal ganz) an Gedankenmaterial schwirrt mir jeweils durch den Kopf beim Verfassen eines solchen Poems. Und die gilt es dann in komprimierter Form aufs Papier zu bringen.
    Wenn mir das zu grossen Teilen gelungen ist, freut es mich enorm.
    Hab herzlichen Dank für deine „Nachdichtung“!
    Und sei lieb gegrüsst!

  9. bruni8wortbehagen sagt:

    Ein auffällig schönes, sehr modernes Plakat zur Alten Dame
    und ein Textausschnitt, der wirklich gut hier passt.
    Liebe Grüße von Bruni

    • Quer sagt:

      Danke Bruni.
      Es handelt sich allerdings nicht um einen Textausschnitt, sondern um ein eigenständiges Gedicht.
      Aber das ist im Grunde nicht von Belang.
      Sei lieb gerüsst!

  10. Gerhard sagt:

    Daß sie das Leben liebt, ist nicht recht zu glauben. Es hängt wie Staub an ihr, in all der flirrenden Hitze.

    Liebe Grüße Gerhard

    • Quer sagt:

      Das trifft vielleicht auf die Frau auf dem Plakat zu, auf die im Gedicht eher nicht: Sie weiss den Staub zu beseitigen. ;–)

      Lieben Nachmittags-Hitzegruss zu dir.

  11. PepeB sagt:

    Am bezauberndsten, liebe Brigitte, finde ich den Einstieg in Dein Poem:
    Frau Horwath liebt das Leben. Solange es an mir hängt sagt sie …
    Da ist für mich so viel zulassen können drin. Und ich lese in der Folge daraus auch ein (wieder? noch mal?) genießen dürfen, eine Art neu zu entdeckende Freiheit des Ureigenen.
    Beeindruckt
    Petra

    • Quer sagt:

      Genau: Das ist auch für mich die Kernaussage des Gedichts.
      (Sie könnte ja auch resignieren.)
      Hab Dank für deine schönen Zeilen, Petra!
      Und sei lieb gegrüsst!

  12. Sonja sagt:

    Meine beste Therapeutin, die meine Freiheitsliebe noch und noch bestärkte, hieß früher so…Wie die tollsten Erinnerungen nun sprühen…Hach, Frau H., Sie leben ja noch…
    Grüße von Sonja

  13. Hausfrau Hanna sagt:

    Und vielleicht,
    liebe Frau Quer,
    sitzt dereinst ein Partner neben Frau Horwarth am Klavier und ergänzt deren einhändiges Spiel zur Zweistimmigkeit in Dur…

    Mit einem Dankeschön für Ihr Gedicht und einen lieben Gruss vom Lande
    Hausfrau Hanna

  14. Quer sagt:

    Wer weiss. Sie scheint jedenfalls eine gefestigte und positiv denkende ältere Frau zu sein. Da darf man mit Wendungen dieser Art sicher rechnen.

    Einen schönen Gruss in Ihren ländlichen Nachmittag, liebe Hausfrau Hanna.

  15. mano sagt:

    frau horwath ist mir höchst sympathisch! wunderbar, dass sie sich auch nicht durch behinderungen vom schönen spiel abhalten lässt.
    frische grüße
    mano

  16. Quer sagt:

    Ja, das mag ich auch an ihr! :–)
    Danke, Mano, und lieben Morgengruss.

  17. Helmut sagt:

    Die Erinnerung an frühere Sommer muss dieses Jahr ersetzt werden durch einen (oder zwei, drei?) gaaaaanz heiße Sommer und ein sehr kühles Intermezzo!

    Liebe Grüße
    Helmut

  18. Quer sagt:

    Das verstehe ich zwar nicht ganz, aber Hauptsache, du bist dir darüber im Klaren.

    Schönen Abendgruss.

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