Archiv der Kategorie: Bilder
Die Weidenkätzchen
Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
sagt mir doch, ihr Schätzchen,
sagt, woher ihr stammt.
„Wollen’s gern dir sagen:
Wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum;
haben winterüber
drin geschlafen, Lieber,
in tieftiefem Traum.“

In dem dürren Baume
in tieftiefem Traume
habt geschlafen ihr?
In dem Holz, dem harten,
war, ihr weichen, zarten,
euer Nachtquartier?
„Musst dich recht besinnen:
Was da träumte drinnen,
waren wir noch nicht,
wie wir jetzt im Kleide
blühn von Samt und Seide
hell im Sonnenlicht.

Nur als wie Gedanken
lagen wir im schlanken
grauen Baumgeäst;
unsichtbare Geister,
die der Weltbaumeister
dort verweilen lässt.“
Kätzchen, ihr, der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
ja, nun weiss, ihr Schätzchen,
ich, woher ihr stammt!
Christian Morgenstern (1871-1914) deutscher Dichter

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Anagramm-Zweizeiler 592
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ER SICHTETE LICHT
&
LEICHTE SCHRITTE
Brigitte Fuchs

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Eine Lichtquelle
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Eine Lichtquelle schliesst die andere nicht aus.
Brigitte Fuchs
Aus „Himmel. Nochmal.“ Sätze zur Welt und darüber hinaus (Aphorismen und Fotos) epubli GmbH, Berlin 2011
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Lichtmess

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Lichtmess gehört zu den alten Jahreskreis-Festen, welche in vielen alten Kulturen gefeiert wurden. Der Winter hat zwar noch Kraft, doch die Sonne scheint nun schon merklich länger und kündet den baldigen Frühling an. Die zunehmende Sonnenscheindauer drückte man in manchen Gegenden mit folgendem Spruch aus:
Weihnachten um an’ Muggenschritt,
Neujahr um an’ Hahnentritt,
Dreikönig um an’ Hirschensprung,
Lichtmess um a ganze Stund.
Im keltischen Kulturkreis wurde am 2. Februar das Kerzenfest Imbolc gefeiert. Es war das Fest der Göttin Brigid. Mit der Wiederkehr der Sonne erschien sie als Lichtjungfrau, “die vom Strahlenkranz Umgebene”, und löste die dunkle Winter-Göttin (im Alpenraum als Percht bekannt) ab. Auf einem Hirsch reitend sollte Brigid die Samen aus dem Schlaf erwecken und die Bäume rütteln, damit deren Saft aufsteige.

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Mannigfache Nebel

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Es gibt gar mannigfache Nebel, doch immer ist dieselbe Sonne wieder da.
Hans Ossenbach (1874-1945) deutscher Journalist, Lyriker und Schriftsteller
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Tropfen für Tropfen
Fotos Brigitte Fuchs
Wir können nicht den exakten Moment benennen, in dem eine Freundschaft entsteht. Wie ein Krug, der Tropfen für Tropfen gefüllt wird, bis ein letzter Tropfen ihn zum Überlaufen bringt, so gibt es bei der Freundschaft eine Vielzahl von Freundlichkeiten bis zu jener, die das Herz zum Überlaufen bringt.
James Boswell (1740-1795) schottischer Biograph

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Der Eistanz
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(…)
Da stand sie, die Sonne, in Düfte gehüllt!
Da rauchen die Berge, da schwebet ihr Bild!
Da ging sie danieder und siehe, der Mond
Wie silbern er über und unter uns wohnt.
So wallen wir, Brüder, mit frölichem Sinn
Durch Mond und durch Sonne das Leben dahin.
(…)
Johann Gottfried Herder (1744-1803) deutscher Dichter, Theologe und Philosoph
Dritte von acht Strophen seines Gedichtes „Der Eistanz“

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Alles braucht seine Zeit
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Wenn die Schubkarre steht
und auch sonst nicht viel geht,
wenn die Gärtner noch warten
auf das Gärtnern im Garten,
dann ist es fürwahr
noch gar früh im Jahr
und der Frühling noch weit. –
Alles braucht seine Zeit.
Brigitte Fuchs
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Vorfrühling

Fotos Brigitte Fuchs
Über den Feldern ein warmer Hauch,
Schwellende Knospen am Dornenstrauch,
Ungeduldige Wölkchen schweben
Über mir hin, und fern im Land,
Wo die Berge ihr Haupt erheben,
Aus dem feinen, bläulichen Rauch –
Winkt eine Hand:
„Wartest du auch?
Wartest du auch auf das blühende Leben …?“
Anna Ritter (1865-1921) deutsche Dichterin und Schriftstellerin
Aus ihrem Gedichtband „Befreiung“ von 1900
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Wasser
Fotos Brigitte Fuchs
Wasser gibt nach, aber erobert alles. Wasser löscht Feuer aus oder, wenn es geschlagen zu werden droht, flieht es als Dampf und formt sich neu. Wasser spült weiche Erde fort oder, wenn es auf Felsen trifft, sucht es einen Weg, sie zu umgehen. Es befeuchtet die Atmosphäre, so dass der Wind zur Ruhe kommt. Wasser gibt Hindernissen nach, doch seine Demut täuscht, denn keine Macht kann verhindern, dass es seinem vorbestimmten Lauf zum Meer folgt. Wasser erobert durch Nachgeben; es greift nie an, aber gewinnt immer die letzte Schlacht.
Text von einem unbekannten Verfasser aus dem 11. Jahrhundert
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