Archiv der Kategorie: Gedichte
Abseits

Fotos Brigitte Fuchs: Heidekraut im Seleger Moor
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut –
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
(…)
Theodor Storm (1817-1888) deutscher Schriftsteller, Novellist und Dichter
Erste zwei der vier Strophen seines Gedichtes „Abseits“
Blühender Garten

Mein Garten kam ins Blühen,
Die Rosenzeit ist da,
Weiss falb und gelb, ein Glühen
Wie nie ich eines sah.

Es stahl ein junger Morgen
Sich in den Garten ein,
Er muss fürwahr verborgen
Ein heimlich Denkmal sein.

Noch nächtens, tief im Dunkel,
Scheint seine helle Pracht,
Als wie ein Lichtgefunkel
Blühn Rosen in der Nacht.
William Wolfensberger (1889-1918) Schweizer Pfarrer (in Rheineck/SG), Schriftsteller und Lyriker
In „Lieder aus einer kleinen Stadt“, Schulthess & Cie, Zürich 1918

Alle Fotos Brigitte Fuchs: öffentlich zugänglicher Rosengarten „Kollerhuus“ in Tann/LU
Wo kleine Felsen…
Fotos Brigitte Fuchs: Melchsee-Frutt
Wo kleine Felsen, kleine Fichten
Gegen freien Himmel stehen,
Könnt ihr kommen, könnt ihr sehen,
Wie wir, trunken von Gedichten,
Kindlich schmale Pfade wandern.
Sind nicht wir vor allen andern
Doch die unberührten Kinder?
Sind es nicht die Knaben minder
Und die Mädchen, jene andern?
Sind sie wahr in ihren Spielen,
Jene andern, jene vielen?
Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) österreichischer Lyriker, Dramatiker und Erzähler
Melchsee-Frutt
Hier ist Freude hier ist Lust
Wie ich nie empfunden!
Hier muss eine Menschenbrust
Ganz und gar gesunden!
Lass denn, o Herz, der Qual
Froh dich entbinden!
Wirf sie ins tiefste Tal
Gib sie den Winden!

Mag da drunten jedermann
Seine Grillen haben:
Wer sich hier nicht freuen kann
Lasse sich begraben.
Lass denn, o Herz, der Qual
Froh dich entbinden!
Wirf sie ins tiefste Tal!
Gib sie den Winden!
Eduard Mörike (1804-1875) deutscher Dichter
Gedicht mit dem Titel „Auf der Teck“

Alle Fotos Brigitte Fuchs
Heuernte

Fotos Brigitte Fuchs
Heuernte, schönste Zeit im Jahr,
Der Wald längst grün und doch noch klar,
Die Blumen ganz im Blühn,
Die Saat noch hoffnungsgrün.
Grün hängt die Frucht im dichten Baum,
Halb ausgebildet, halb noch Traum;
Still steht des Lebens Flucht
Noch zwischen Blüt‘ und Frucht.
Nur erntereif das flücht’ge Gras,
Und frisch und duftig selber das.
Wohl, wenn’s an’s Welken geht,
Dem, der so süss verweht!
(…)
Gustav Schwab (1792-1850) deutscher Pfarrer und Schriftsteller
Erste Strophen seines Gedichtes „Heuernte“

Foto Brigitte Fuchs
Sommerlandschaft

Foto Brigitte Fuchs: Sommerlandschaft bei Bettwil/AG
Der Sommerfaden
Da fliegt, als wir im Felde gehen,
Ein Sommerfaden über Land,
Ein leicht und licht Gespinst der Feen,
Und knüpft von mir zu ihr ein Band.
Ich nehm‘ ihn für ein günstig Zeichen,
Ein Zeichen, wie die Lieb‘ es braucht.
O Hoffnungen der Hoffnungsreichen,
Aus Duft gewebt, von Luft zerhaucht!
Ludwig Uhland (1787-1862) deutscher Dichter, Jurist und Politiker

Foto Brigitte Fuchs
Wie liegt die Welt
Foto Brigitte Fuchs: Blick vom Esterliturm in Richtung Hallwilersee und Innerschweizer Bergwelt mit Rigi und Pilatus
Wie liegt die Welt so frisch und tauig
vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
ins grüne Tal hinein.
Mit allen Kreaturen bin ich
in schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
und eben darum lieb ich sie.
Und wird auch mal der Himmel grauer;
wer voll Vertrau’n die Welt besieht,
den freut es, wenn ein Regenschauer
mit Sturm und Blitz vorüberzieht.
Wilhelm Busch (1832-1908) deutscher Zeichner, Maler und Dichter

Foto Brigitte Fuchs
Sommerwonne
Fotos Brigitte Fuchs: Kriechende Hauhechel (seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen)
Wie freu`ich mich der Sommerwonne,
Des frischen Grüns in Feld und Wald,
Wenn`s lebt und webt im Glanz der Sonne
Und wenn`s von allen Zweigen schallt!
Ich möchte jedes Blümchen fragen:
Hast du nicht einen Gruss für mich?
Ich möchte jedem Vogel sagen:
Sing, Vöglein, sing und freue dich!
Die Welt ist mein, ich fühl es wieder:
Wer wollte sich nicht ihrer freu`n,
Wenn er durch frohe Frühlingslieder
Sich seine Jugend kann erneu`n?
Kein Sehnen zieht mich in die Ferne,
Kein Hoffen lohnet mich mit Schmerz;
Da wo ich bin, da bin ich gerne,
Denn meine Heimat ist mein Herz.
Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) deutscher Dichter

Fotos Brigitte Fuchs: Gartenblumen und Hummeln
Kinder am Ufer
Fotos Brigitte Fuchs: Wasserschloss und Limmatspitz Gebenstorf/AG
In der Region Brugg, wo sich Aare, Reuss und Limmat vereinen, liegt das einzigartige „Wasserschloss.“ Die etwa 172 Hektar grosse Flusslandschaft wurde als Aue mit nationaler Bedeutung ausgezeichnet.
„O sieh doch! siehst du nicht die Blumenwolke
Da drüben in dem tiefsten Weiherkolke?
das ist schön! hätt ich nur einen Stecken,
Schmalzweisse Kelch‘ mit dunkelroten Flecken,
Und jede Glocke ist frisiert so fein,
Wie unser wächsern Engelchen im Schrein.
Was meinst du, schneid ich einen Haselstab
Und wat‘ ein wenig in die Furt hinab?
Pah! Frösch‘ und Hechte können mich nicht schrecken –
Allein, ob nicht vielleicht der Wassermann
Dort in den langen Kräutern hocken kann?
Ich geh, ich gehe schon – ich gehe nicht –
Mich dünkt, ich sah am Grunde ein Gesicht –
Komm, lass uns lieber heim, die Sonne sticht!“
(…)
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) deutsche Dichterin
Erste Hälfte des gleichnamigen Gedichts

Fotos Brigitte Fuchs
…die im Lichte sind
Foto Brigitte Fuchs: Schachbrettfalter oder auch Damenbrett
Nicht immer nach der dunklen Tiefe schürfen!
Was aussen ist und oben, des bedürfen
die Geister, die im Lichte sind, nicht minder.
Ein zweifach Walten diene den Entwürfen.
Alfred Grünewald (1884-1942) österreichischer Dichter, Dramatiker und Schriftsteller

Foto Brigitte Fuchs: Schachbrettfalter









