Archiv der Kategorie: Gedichte
’s ist Krieg

Foto Brigitte Fuchs
’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
(…)
Matthias Claudius (1740-1815), deutscher Dichter, Redakteur und Erzähler
Erste Strophe seines Gedichtes „Kriegslied“
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Einfalt

Foto Brigitte Fuchs
Also schreib ich hellgrün
übers trostlose Schwarz
und denke mir
bei Licht besehen
könnte man es lesen
und denke mir
es müsste leuchten
nachts
Brigitte Fuchs
Aus „Herzschlagzeilen“ Gedichte, Glendyn Verlag, Aarau 1989
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Sing Vogel

Foto Brigitte Fuchs
Warum steckt so viel Trotz in ihm
lässt er Federn pflückt er Flaum
wieso weigert er sich auf beiden
Beinen zu stehen übers Wasser zu
gehen weshalb müht er sich nicht
den Kopf zu heben mit aller Kraft
hinauf zu steigen da oben weit
oben zu singen wie es uns gefällt
Brigitte Fuchs
Aus „Es tanzt der Stein“, Gedichte, edition 8, Zürich 2014
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Grosser Vogel
Foto Brigitte Fuchs: Kleiber
Die Nachtigall ward eingefangen,
Sang nimmer zwischen Käfigstangen.
Man drohte, kitzelte und lockte.
Gall sang nicht. Bis man die Verstockte
Im tiefsten Keller ohne Licht
Einsperrte. – Unbelauscht, allein
Dort, ohne Angst vor Widerhall,
Sang sie
Nicht – –,
Starb ganz klein
Als Nachtigall.
Joachim Ringelnatz (1883-1934) deutscher Dichter, Kabarettist und Seefahrer
Das Gedicht „Grosser Vogel“ stammt aus dem Jahre 1933
Aus „Und auf eimal steht es neben dir“, Gesammelte Gedichte, Copyright by Karl H. Henssel Verlag Berlin 1950

Foto Brigitte Fuchs: Kleiber
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Unser Storch

Habt ihr ihn noch nicht vernommen?
Auf dem Dache sitzt er schon.
Unser Storch ist heimgekommen,
Hört doch! Hört den frohen Ton!
Klappre du, klappre du klapp klapp klapp!
Klapp klapp klapp!
Klappre du, klappre du immerzu!

Ja, du bist nun eingetroffen
Nach so langer Winternacht,
Hast erfüllet unser Hoffen
Und den Frühling mitgebracht.
Klappre du, klappre du klapp klapp klapp!
Klapp klapp klapp!
Klappre du, klappre du immerzu!

Ach, wie tönt in unsre Ohren
Doch so süss der frohe Ton:
Ja, wir sind wie neugeboren,
Denn der Winter ist entfloh’n.
Klappre du, klappre du klapp klapp klapp!
Klapp klapp klapp!
Klappre du, klappre du immerzu!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) deutscher Dichter, Sprachforscher und Liederautor

Alle Fotos Brigitte Fuchs: Storchenkolonie im Murimoos, Kanton Aargau
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Sternrisse

Foto Brigitte Fuchs
Sternrisse
Tonlos diese Spur und monoton der
Morgen nichts Erkennbares weitab weht
Weinerlichkeit über die Milchstrasse
Alles altert unzeitgemäss nichts wärmt
nichts hält uns die Stange jede Gabe
ist mild und minderwertig zugleich
Brigitte Fuchs
Aus „Musik von weit her“ Gedichte, edition 8, Zürich 2020
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Fragment

Foto Brigitte Fuchs
Zu meiner Zeit auf dieser Erde,
da war der Mensch so tief gesunken, dass er
mutwillig tötete, nicht nur befohlen,
und, während er im Wahn wild geiferte, ein Zwang
im Hirn sein Leben wild ins Garn des Irrsinns schlang.
(…)
19. Mai 1944
Miklós Radnóti (1909-1944) jüdischer ungarischer Dichter
Erste Strophe seines Gedichtes „Fragment“, das er kurz vor seinem gewaltsamen Tod schrieb.
Aus „Gewaltmarsch“ ausgewählte Gedichte, Corvina Verlag, Budapest 1979
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Entsetzen

Foto Brigitte Fuchs
Durch die Strassen der Städte,
Vom Jammer gefolget,
Schreitet das Unglück –
Lauernd umschleicht es
Die Häuser der Menschen,
Heute an dieser
Pforte pocht es,
Morgen an jener,
Aber noch keinen hat es verschont.
Die unerwünschte
Schmerzliche Botschaft,
Früher oder später,
Bestellt es an jeder
Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.
(…)
Friedrich von Schiller (1759-1805) deutscher Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker; gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker und Lyriker
Quelle: „Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder“. Ein Trauerspiel mit Chören, 1803; 4. Akt, Beginn des 4. Auftritts
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Am Fenster
Foto Brigitte Fuchs
Unter weitem Strohhutschutz
Und in leichtem Frühlingskleide
Giessen meine Jüngsten beide,
Strengem Sonnenstrahl zum Trutz,
Mit den lieben, runden Händchen
Drunten ihre Blumenländchen.
Von euch Kindern angeregt,
Wünsch‘ ich, dass von höhern Händen,
Die sich gütig zu euch wenden,
Ihr auch werdet so gepflegt,
Wie, gepflegt durch euer Streben,
Sich erhält dies Blumenleben.
Karl Mayer (1786-1870) deutscher Jurist und Dichter

Foto Brigitte Fuchs: Hausfassade in Lenzburg
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Sterntaler

Foto Brigitte Fuchs
Hochauf werfe ich
meine metrische Saat
mein rhythmisches
Freiheitslied
Wenn der Wind weht
wenn das Haus steht
wenn die Braut
ihrem Liebsten
um den Bart geht
Dann fange ich
das Wort auf
die erwiderte Zeit
und der Wind
und der Wind
trägt sie weit
Brigitte Fuchs
Aus „Das Blaue vom Himmel oder ich lebe jetzt“, Gedichte, Glendyn Verlag Aarau 1993
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