Dankbares Leben

Sicht auf den Zürichsee bei Wädenswil

 

 

Wie schön, wie schön ist dieses kurze Leben,
Wenn es eröffnet alle seine Quellen!
Die Tage gleichen klaren Silberwellen,
Die sich mit Macht zu überholen streben.

Was gestern freudig mocht das Herz erheben,
Wir müssen’s lächelnd heute rückwärts stellen;
Wenn die Erfahrungen des Geistes schwellen,
Erlebnisse gleich Blumen sie durchweben.

So mag man breiter stets den Strom erschauen,
Auch tiefer mählich sehn den Grund wir winken
Und lernen täglich mehr der Flut vertrauen.

Nun zierliche Geschirre, sie zu trinken,
Leiht, Götter! uns, und Marmor, um zu bauen
Den festen Damm zur Rechten und zur Linken!

 

 

Gottfried Keller (1819-1890) Schweizer Schriftsteller, Dichter und Politiker

 

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16 Antworten auf Dankbares Leben

  1. waldviertelleben sagt:

    das klingt nach glückseligkeit. wie schön!
    liebe morgengrüße
    ingrid

  2. Quer sagt:

    Manchmal trifft einen eine solche Glückswelle – einfach so.
    Herzlichen Gruss zu dir.

  3. sylvia sagt:

    dankbar sein können – eine gabe
    gegen knitterfalten, besser als botox;-))).
    frohe morgengrüße mit kaffeeduft
    Sylvia

  4. Quer sagt:

    Oh ja, das stimmt.
    Seien wir dankbar – rein schon prophylaktisch! :–)
    Lieben Retourgruss, noch vor dem ersten Kaffee.
    Aber jetzt, da mich dein Kaffeeduft erreicht, muss ich eine Tasse haben.

  5. merlin sagt:

    gottfried keller und der zürichsee,
    das passt natürlich perfekt 🙂
    dankbarkeit und vertrauen sind eine prima voraussetzung
    zum glücklichsein 🙂
    glg. und einen tag im moment wünsche ich dir.

  6. Eva sagt:

    Ihm zumindest liehen die Götter ein solch „zierliches Geschirre“, dem Gottfried Keller, so daß auch wir noch immer davon lernen können.

    Freudiger Dauerregengruß von
    Eva

  7. Quer sagt:

    Genau. Vielleicht war er gerade dafür dankbar und hat dies in seinem Sonett zum Ausdruck gebracht.

    Ebenfalls freudige Grüsse in den – hier – sonnigen Tag.

  8. Gerhard sagt:

    Was ist mit dem Damm aus Marmor gemeint, was muss geschützt werden?
    Ein unklares Gedicht für mich.
    Lieben gruss
    Gerhard

  9. Quer sagt:

    Er scheint den Lebensstrom zu meinen, den man mit solchen „Gedanken-Einfassungen“ in ruhig fliessende, feste Bahnen lenken könnte. Ziemlich sicher ist aber nur die ideelle Flussbereinigung gemeint und nicht ein reales Bauwerk aus Marmorsteinen.
    Dies meine Interpretation.
    Lieben Gruss zu dir.

  10. Hausfrau Hanna sagt:

    Was für ein schöner Satz,
    liebe Frau Quer,
    „und lernen täglich mehr der Flut vertrauen“!

    Ich nehme ihn als Begleitung mit in den heutigen Tag zum Murmeln des Bächleins…

    Mit einem herzlichen Gruss in den Sommertag
    Hausfrau Hanna

    • Quer sagt:

      Sie sagen es, liebe Hausfrau Hanna.
      Auch der Flut eines kleinen Baches kann man vertrauen und Gelassenheit, Ruhe oder Poesie daraus schöpfen.

      Auch Ihnen einen beglückenden Tag auf dem Lande!
      Und lieben Gruss.

  11. PepeB sagt:

    Der Flut vertrauen – ja, das ist eine Lebensaufgabe und eine Übung in Dankbarkeit wohl auch.
    Einen feinen Samstag wünscht dir
    Petra

  12. Quer sagt:

    So ist es.
    Beim Üben dieser Aufgabe bin ich immer wieder neu mit dabei.
    Danke, Petra, und auch dir einen frohen Tag!

  13. mona lisa sagt:

    Feste Dämme sind z.B. in stürmischen Zeiten sinnvoll,
    vielleicht sogar lebensrettend.
    Dir einen ruhigen Samstag.

  14. Quer sagt:

    Genau. Wenn Dämme der Flut nicht standhalten, hat das meist verheerende Konsequenzen.
    Merci, Mona Lisa. Hab auch einen erbaulichen Tag!

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