Archiv der Kategorie: Gedichte
Regen
Foto Brigitte Fuchs
Ich liebe die grauen Regentage
Des Himmels düsteres Wolkenkleid.
Dann hör’ ich still, ohne Wunsch und Klage
Den Stundenschlag der Unendlichkeit.
Dann ist mir’s, als sei in der Seele versunken
Das freundliche Licht, das den Tag erhellt.
Und in heimlichen Tiefen huscht leise ein Funken
Des leuchtenden Glücks einer schöneren Welt.
Heinrich Gutberlet (1877-1953) deutscher Schriftsteller und Lyriker

Fotos Brigitte Fuchs
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Der Weise und der Narr
Fotos Brigitte Fuchs: Schaufenstergestaltung in Sursee
Wie das eine glückliche Stunde war,
Voll Frohsinn, Kosen und Scherzen;
Und wie der Weise und wie der Narr
Mit fröhlich waren von Herzen!
Der Narr sprach lachend: „Ich hätt‘ dich nicht
Für so närrisch gehalten!“ – Und leise
Entgegnet der andere mit ernstem Gesicht: –
„Und ich dich nicht für so weise!“
Albert Roderich (1846-1938) deutscher Dichter und Aphoristiker
Quelle: Roderich „In Gedanken“ Vers-Aphorismen, 1907
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Spaziergang am Herbstabend
Fotos Brigitte Fuchs
Wenn ich abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse niederwallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:
Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh ich dann vorübergleiten.
Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewusst, empfunden,
Dämmert auf in Seel‘ und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.
(…)
Friedrich Hebbel (1813-1863) deutscher Dichter und Dramatiker
Drei von sechs Strophen des gleichnamigen Gedichtes
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Ohne Titel
Fotos Brigitte Fuchs: abgelichtet am 6. Oktober
Glück kommt wie Licht, wie Sonnenstrahlen,
Wie Windeswehn, wie Wolkenflug:
Hier einmal, dort zu hundertmalen
Und nie im Leben noch genug.
Wer kann es haschen, wer kann es finden?
Und wer bewahrt es, wenn er’s hat? –
Es schwebt ein Atem in den Winden,
Und schwimmt im Strom ein grünes Blatt.
Feodor von Wehl (1821-1890) deutscher Schriftsteller

Fotos Brigitte Fuchs: erstellt am 6. Oktober
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Ruhe aus
Fotos Brigitte Fuchs
Ruhe aus; ein Feld, das geruht hat, trägt herrlich Ernte.
Ovid (43 v. Chr.-17 n. Chr.) eigentlich Publius Ovidius Naso, römischer Epiker
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Wie Artischocken
Fotos Brigitte Fuchs
X
Wie Artischocken
Blättert mein Hirn.
Rauch entsteigt
Seinen Kaminen.
Krater brechen aus der Erde
Meines Leibes.
Blattern tupfen Träume auf die Haut.
Beine buchten sich an blaue Meere.
Inseln wachsen buschig aus der Brust.
Augen sind vom Glanz der Nacht entzündet,
Morsche Fingerspitzen trommeln Takt.
(…)
Klabund (1890-1928) eigentlich Alfred Georg Hermann Henschke, deutscher Schriftsteller und Lyriker
Aus „Irene oder Die Gesinnung“
Zwei von vier Strophen dieses Zyklus-Teils
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Herbstliche Wege
Foto Brigitte Fuchs
Des Sommers weisse Wolkengrüsse
zieh’n stumm den Vogelschwärmen nach,
die letzte Beere gärt voll Süsse,
zärtliches Wort liegt wieder brach.
Und Schatten folgt den langen Wegen
aus Bäumen, die das Licht verfärbt,
der Himmel wächst, in Wind und Regen
stirbt Laub, verdorrt und braun gegerbt.
Der Duft der Blume ist vergessen,
Frucht birgt und Sonne nun der Wein
und du trägst, was dir zugemessen,
geklärt in deinen Herbst hinein.
Joachim Ringelnatz (1883-1934) deutscher Dichter, Kabarettist und Seefahrer

Foto Brigitte Fuchs
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Am sonnigen Hang
Foto Brigitte Fuchs
Am sonnigen Hang,
Im stillen Gemüt,
Noch immer des Liedes
Waldgärtlein blüht:
Und liebst du den Gärtner,
So komm herein!
Am sonnigen Hange
Da wartet er dein.
Johannes Rothensteiner (1860-1936) amerikanisch-deutscher Priester, Philosoph und Schriftsteller

Foto Brigitte Fuchs
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Was mich zu diesem Foto bewog

Foto Brigitte Fuchs
Und, was denkt ihr wohl? Was reizte mich an diesem Blick? Das Licht? Die Höhe? Der Spiegelbildeffekt? Die Komposition?
Vielleicht hilft ja das Poem von Karl Kraus weiter …
Rätsel
Bald ist’s von dieser, bald von jener Sorte:
dort gilt’s der Silbe, hier gilt es dem Worte.
Leicht lässt es dich in alle Ferne schweifen,
wiewohl grad nur das Nächste zu ergreifen.
Bescheiden steht’s und wartet in der Ecke,
bis du den Sinn holst aus dem Wortverstecke.
Wenn endlich dir die Lösung glücken soll,
sei zu bedenken dieses dir gegeben:
gelöst wär‘ nur die eine eben,
jedoch fast jedes Ding im Leben,
es bleibt dir leider dessen voll.
Ja mehr als das – ich wag es auszusprechen
und will dich warnen, ehe es zu spät – ,
dies eine selbst, es lohnt kein Kopfzerbrechen:
denn Rätsel bleibt es, wenn man’s auch errät.
Karl Kraus (1874-1936)österreichischer Schriftsteller, Publizist und Satiriker
Ist es gelöst das Rätsel? Nanu – Noch eine Information dazu?

Foto Brigitte Fuchs
Das Foto entstand in der Ankunftshalle des Flughafens Zürich-Kloten. Wir warteten auf unseren Gast aus England.
Aber länger will ich euch die Lösung nicht vorenthalten. Da oben, ganz zuoberst eingeklemmt, war das Ding, das ich entdeckte und fotografisch „einfing“: Voilà!
Brigitte Fuchs

Foto Brigitte Fuchs
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Herbstzeitlose
Fotos Brigitte Fuchs: Herbstzeitlose und Feldenzian
Blühst du wieder, Herbstzeitlose,
Blaßgefärbte, düftelose,
Großgewiegt vom rauen Wind,
Du des Sommers letztes Kind?
Blühst aus herbstlich feuchten Matten
In des Waldthals stillen Schatten,
Wo die grauen Weiden stehn,
Wo die leisen Bächlein gehn.
Blühst aus blumenleeren Auen,
Nicht zum Pflücken, nur zum Schauen…
(…)
Karl Gerok (1815-1890) deutschr Theologe und Lyriker
Anfangszeilen aus seinem Gedicht „Herbstzeitlose*
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