Archiv der Kategorie: Gedichte

Aller Tage

Foto Brigitte Fuchs: Plakataushang in Full-Reuenthal

 

 

Frau Horwath liebt das Leben. Solange es

an mir hängt sagt sie und klopft den Staub

aus Horwaths Kittel. Das Erinnern hebt sie

sich für später auf wie die Verabredungen der

Männer. Die Villa im Park steht seit Monaten

zum Verkauf. Abends spielt Frau Horwath mit

der intakten Hand Klavier: Mozart Chopin

Liszt. Rings in den Blumenbeeten propagiert

der Sommer seinen Sinn für Schönheit.

 

Brigitte Fuchs
Aus „Handbuch des Fliegens“ Gedichte, edition 8, Zürich 2008

 

 

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Klostergarten

Fotos Brigitte Fuchs: Klostergarten beim ehemaligen Kloster Wettingen, Aargau

 

 

Als im Garten soeben
Ich mich erging,
Und über Tod und Leben
In Gedanken hing:
Tat gar lustig daneben
Ein bunter Schmetterling
Von Blume zu Blume hinschweben.

 

Johann Meyer (1829-1904) deutscher Schriftsteller (schrieb auch in Plattdeutsch), Lehrer und Redakteur

 

Foto Brigitte Fuchs: Schwalbenschwanz auf Eisenkraut im Klostergarten

 

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Heimweg

Foto Brigitte Fuchs:
Strassenschild in Laufenburg zu Ehren von Ignaz Heim (1818-1880) Förderer des Volksgesanges und Bürger von Laufenburg

 

 

 

An klaren Bächen wandr‘ ich hin,
Durch buntgeblümte, duft’ge Wiesen:
Wie Bienen summen, also träumt mein Sinn,
Genoss’ne Lust noch einmal zu geniessen.

Des Weges Richtung kenn‘ ich schlecht,
Ich frage mich von Ort zu Orte weiter,
Und geh‘ ich auch nicht immer recht,
Es kümmert nicht den rüst’gen Schreiter.

Woher ich komme, riss ich schwer mich los,
Wohin ich gehe, zieht mich kein Verlangen:
So war am Ende der Verdruss nicht gross,
Käm‘ ich dahin zurück, von wo ich ausgegangen.

 

 

David Friedrich Strauss (1808-1874) deutscher Schriftsteller, Philosoph und Theologe

 

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Die Wüste

Foto Brigitte Fuchs

 

Dass sie sich hier
nicht endlos ausbreitet
staubrot und karg
das heisst ja nicht
dass es sie nicht gibt
meine Wüste ist klein
ich teile die Sonne mit ihr
und den Garten

Mein Geplätscher
verweigert sie
meine wortgrüne Saat
erstickt sie im Keim und
wer sagt dass sie sich nicht
irgendwann ausbreitet hier
buchstäblich um den Garten
streitet mit mir

 

Brigitte Fuchs
Aus „Das Blaue vom Himmel oder ich lebe jetzt“, Gedichte, Glendyn Verlag, Aarau 1993

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Schön wärs mal wieder…

Fotos Brigitte Fuchs

 

(…)

Da sank, in Dunkel eingehüllt,
Die Sonn‘ am Wald hinab,
Und Regen rauschte kühl und mild
Aufs dürre Feld herab;
Nun freuet alles dankbarlich
Des neugeschenkten Lebens sich.

Wie frisch erhebt der Halm sein Haupt,
Wie prangt der Flachs so blau!
Wie steht der Baum so neubelaubt,
Und glänzendgrün die Au‘!
Und welch ein übersüsser Duft
Füllt rings umher die kühle Luft.

(…)

Johann Martin Miller (1750-1814) deutscher Theologe und Schriftsteller
Zwei Strophen aus dem achtstrophigen Gedicht „Lied der Bauern beim Regen“

 

Foto Brigitte Fuchs

 

Leider ist das im Moment nur Wunschdenken…

Alles ist trocken, dürr oder welk.

 

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Stein der Weisen

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Wenn hundert Menschen ihre Freude laut bekunden,
dann ärgert sich der Hunderteinste ganz bestimmt.
Der Stein der Weisen ist noch immer nicht gefunden –
und zwar der Stein, an welchem niemand Anstoss nimmt.

 

 

Fred Endrikat (1890-1942) deutscher Dichter, Schriftsteller und Kabarettist
Der „Stein der Weisen“ ist eines seiner Spruchgedichte

 

Fotos Brigitte Fuchs: Steintummelplatz im Seleger Moor

 

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Alles reift…

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Nicht in alle Ewigkeit

Geht, was wir getan, zugrunde.

Alles reift zu seiner Zeit

Und wird Frucht zu seiner Stunde

 

 

Aus der Schrift „Divyavadana“, Indien 2./3. Jh.

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Abend II

Foto Brigitte Fuchs: Vierwaldstättersee bei Horw/LU

 

Wie eine Linie dunkelblauen Schweigens
liegt fern der Horizont, von weichem Rot umsäumt.
Die Wipfel schaukeln wie im Banne eines Reigens,
das Licht ist wie im Märchen, sanft und blau verträumt.
Der Himmel ist noch hell, noch sieht man kaum die Sterne,
die Luft ist kühl und weich wie eine Frauenhand
und süsse Melodie dringt aus der fernsten Ferne:
Musik einer Schalmei, zauberhaft, unbekannt.

 

Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942) deutschsprachige, jüdische Dichterin, starb in einem Arbeitslager an Typhus
Dieses Gedicht schrieb sie im Jahr 1941

 

Foto Brigitte Fuchs: Horw am Vierwaldstättersee

 

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Nach dem Regen

Fotos Brigitte Fuchs

 

Die Vögel zwitschern, die Mücken
Sie tanzen im Sonnenschein,
Tiefgrüne, feuchte Reben
Gucken ins Fenster herein.

Die Tauben girren und kosen
Dort auf dem niedern Dach,
Im Garten jagen spielend
Die Buben den Mädeln nach.

Es knistert in den Büschen,
Es zieht durch die helle Luft
Das Klingen fallender Tropfen,
Der Sommerregenduft.

 

 

Ada Christen (1839-1901) österreichische Dichterin

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

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Sommer für Sommer

Foto Brigitte Fuchs: Blick vom Schloss Heidegg auf den Baldeggersee

 

 

Die ganze Zeit liegt noch gefaltet in

der Truhe diese morgenfrische Aussteuer

für eine wie mich jedem Tag müssen wir

Rede und Antwort stehen trunken von

Begehrlichkeiten und eingeschüchtert

vom Weltgewirr woran sind wir denn

Schuld Liebster sieh nur am Steilhang

reift der Wein und dein Hemd duftet

nach Rasenschnitt und Oleander

 

Brigitte Fuchs
Aus „Musik von weit her“ Gedichte, edition 8, Zürich 2020

 

Foto Brigitte Fuchs: Blick vom Schloss Heidegg in Gelfingen/LU

 

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