Archiv der Kategorie: Gedichte

Wintereinbruch

Fotos Brigitte Fuchs

 

Trüb sucht mein Blick: wann wird sie wieder blühn?
Die harte Erde lässt mit kaltem Schweigen
die Wipfel in den klaren Himmel zeigen
um die verschneite Bank im Wald,
auf der du einst ein Frühlingsglück umarmtest;
nun spriesst Reif an den starren Zweigen.
Dann willst du weitergehn den alten Gang,
da schluchzt ein Vogelherz, du weisst nicht wo,
die Stille klingt ihm nach: sie blüht, sie blüht!
Lichtblüten glitzern über allen Steigen!

 

Richard Dehmel (1863-1920) deutscher Dichter und Schriftsteller
Gedicht mit der Überschrift „Lied im Winter“

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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April

Fotos Brigitte Fuchs

 

Bald ein rauhes kaltes Rauschen,
Dass der dunkle Forst erkracht;
Bald ein Flüstern, Kosen, Lauschen,
Wie die stillste Frühlingsnacht.

Bald der Himmel, bald die Sonne,
Bald die Wolken, bald der Schnee –
Wie der Liebe erste Wonne,
Wie der Liebe erstes Weh.

Bald das Jauchzen, bald die Trauer
In der aufgeregten Brust —
Und noch halb in Winterschauer,
Und schon halb in Frühlingslust.

Bald ein ungestümes Ringen,
Bald ein Frieden sonntagsstill —
O, was wirst Du mir noch bringen
Schöner, stürmischer April?

 

Julius Rodenberg (1831-1914) deutscher Journalist und Schriftsteller
Aus „Die Jahreszeiten“

 

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Unversehen

Foto Brigitte Fuchs

 

So fahl der Tag heute
heftet uns hängt uns
die Ohnmacht
gebündelt an Ferse
und Hals
hält uns hin
und nicht wieder
und keine einzige
Stunde vom Leib
stellt uns
zwischen wenn und aber
Herz an Herz
unter Glas

 

Brigitte Fuchs
Aus „Herzschlagzeilen“ Gedichte, Glendyn Verlag Aarau 1989

 

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Weltwassertag

 

Mild beschwichtendes Element

Mild beschwichtendes Element,
Wasser,
Nicht nur löschest du Feur, das brennt,
Wasser!

Nicht nur erquickst du den Durst, der lechzt.
Wasser,
Du auch heilest mein Kind, das ächzt,
Wasser!

 

 

Ihm gelegt auf die glühende Stirn,
Wasser,
Schütze vorm Fieberbrand das Gehirn,
Wasser!

Auf die welkende Blüte gesprengt,
Wasser,
Wie auf Blumen sonnenversengt,
Wasser!

Essig müßte mir sein der Wein,
Wasser,
Eh‘ er dürfte gemischt dir sein,
Wasser.

 

Friedrich Rückert (1788-1866) deutscher Dichter

 

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Der Frühling

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde,
Die Tage kommen blütenreich und milde,
Der Abend blüht hinzu, und helle Tage gehen
Vom Himmel abwärts, wo die Tag‘ entstehen.

Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten
Wie eine Pracht, wo Feste sich verbreiten,
Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele,
So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele.

 

Friedrich Hölderlin (1770-1843) deutscher Lyriker

 

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

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Wie die Biene

Foto Brigitte Fuchs

 

Wie die Biene
Flogest du,
Froher Miene
Sogest du
Blüthenthau, o welchen
Thau aus allen Kelchen
Saugend zogest du!

(…)

Wie die Biene
Sei nicht bang,
Froher Miene
Mein Gesang!
Diese Schmerzen taugen,
Lust daraus zu saugen
Unter Bienenklang.

 

 

Friedrich Rückert (1788-1866) deutscher Dichter
Erste und letzte Strophe seines Gedichtes „Wie die Biene“
Aus der Sammlung „Trost und Erhebung“

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Nur eine Stunde im grünen Wald

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Nur eine Stunde von Menschen fern,
Nur eine einzige Stunde!
Statt der tönenden Worte des Waldes Schweigen,
Statt des wirbelnden Tanzes der Elfen Reigen,
Statt der leuchtenden Kerzen den Abendstern,
Nur eine Stunde von Menschen fern!

(…)

Nur eine Stunde im grünen Wald,
Nur eine einzige Stunde!
Wo die Halme und Blumen sich flüsternd neigen,
Wo die Vögel sich wiegen auf schwankenden Zweigen,
Wo die Quelle rauscht aus dem Felsenspalt,
Nur eine Stunde im grünen Wald!

 

Auguste Kurs (1815-1892) deutsche Lyrikerin, Novellistin, Redakteurin
Zwei der drei Strophen ihres gleichnamigen Gedichtes

 

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Nichts lächelt

Foto Brigitte Fuchs: Illustration an einer Lärmschutzwand in Suhr

 

 

Nichts
lächelt
verlogener als
das Gefühl
der Macht
es gaukelt
Freiheit
vor
inmitten
der Haft.

 

 

Magdalena Rüetschi (1923-2016) Schweizer Psychotherapeutin, Lyrikerin und Kinderbuchautorin, mit der ich lange Jahre befreundet war
Aus „Pascal’s Zimmer“, Gedichte, Verlag Im Waldgut, Frauenfeld 1992

 

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Das Mass der Dinge

Fotos Brigitte Fuchs: Burgunderblutalgen auf dem Baldeggersee

 

 

Alles ist, wenn du liebst!
Dein Freund wird Sokrates, wenn du’s ihm gibst.
Herz, Herz, wie bist du schöpferisch!
Du schwebst! Die Erde wird himmlisch.
Einst kamst du, ein Kind, zu grünem Waldweiher.
Sahst schaudernd den geheimnisvollen Algen-Schleier.
Du streicheltest der Weidenkatzen tierisch-süssen Samt –
Wie tiefsinns-selig bebte deine Knabenhand!
In deinem Aufschwung, Mensch, wird alles gross!
In deinem Abschwung alles hoffnungslos!
Und nur die Seele, die sich liebend selbst vergass,
Ist aller Dinge Mass und Übermass.

 

 

Franz Werfel (1890-1945) österreichisch-US-amerikanischer Schriftsteller und Lyriker jüdischer Herkunft; er emigrierte 1938 nach Frankreich und 1940 in die USA.

 

 

Zu den Algenbildern:

Die Burgunderblutalge ist schön, aber nicht ungefährlich. Der aus dem Griechischen abgeleitete Name „Planktothrix rubescens“ bedeutet frei übersetzt „im Wasser umherirrendes rötliches Haar“. Im Schweizer Murtensee kommt es immer wieder zu Blüten der Spezies, die das Wasser rötlich färben. Dies deutete man früher als das Blut der in der „Schlacht bei Murten“ erschlagenen Burgunder und so etablierte sich die deutsche Bezeichnung Burgunderblutalge. Gebräuchlich ist auch der Ausdruck „Blaualge“. Blaualgen sind nicht ganz ungefährlich:

Einige Arten produzieren nämlich Stoffe, die bei Badenden Durchfall, Erbrechen oder Hautausschläge und im schlimmsten Fall sogar Atemnot auslösen können. Eine Gesundheitsgefahr besteht vor allem durch das Schlucken des Wassers – das gilt auch für Hunde.

 

Foto Brigitte Fuchs

 

 

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Also, ihr Herrscher der Erde

Foto Brigitte Fuchs: Teil einer Installation mit dem Titel „Milenium Beton“ von Valentin Schuler geschaffen für die Gemeinde Gunzwil (seit 2009 Zusammenschluss mit Beromünster)

 

Soll wieder unsre Welt im Blute schwimmen,
Weil euer Herrscherstolz gebeut
Und euer Donnerruf die Stimmen
Der Friedenssöhne überschreit?
Ach, schrecklich ist’s, der Menschen Mark vergeuden
Und mit der Würgehand
Umwühlen in der Menschen Eingeweiden,
Vom Schlachtendurst entbrannt!
Steckt eure Schwerter in die Scheide,
Lasst eure Donnerschlünde ruhn!
Gibt’s grössern Ruhm, gibt’s reinre Freude,
als Friede geben, Gutes tun?

 

Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791) deutscher Dichter, Organist, Komponist und Journalist

 

Foto Brigitte Fuchs: Installation von Valentin Schuler zur Jahrhundertwende

 

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