Monatsarchive: Januar 2024

Was wollen mir vertraun die blauen Weiten …

Foto Brigitte Fuchs

 

 

(…)

Mir ist in solchen linden, blauen Tagen,
Als müssten alle Farben auferstehen,
Aus blauer Fern sie endlich zu mir gehen.

So wart ich still, schau in den Frühling milde,
Das ganze Herz weint nach dem süssen Bilde,
Vor Freud, vor Schmerz? – ich weiss es nicht zu sagen.

 

 

Joseph Eichendorff (1788-1857) deutscher Dichter
Letzte Strophen seines Sonettes „Was wollen mir vertraun die blauen Weiten“

 

Foto Brigitte Fuchs: Sempachersee

 

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Reflexionen

Fotos Brigitte Fuchs

 

Wie auf schönen klaren und tiefen Bronnen,
Spiegeln sich auf hässlichen seichten Pfützen
Sterne und Sonnen.

Aus dem Schmutzigen wie dem Reinen, immer
Strahlt ihr Bild im nämlichen makellosen
Göttlichen Schimmer.

Denn das Reine bleibt ewig fort das Reine,
Ob die Hände, die es berühren, edle
Oder gemeine.

Und das Grosse kann nie der Schmutz verdunkeln,
Doch den Pfuhl sogar lässt leuchtende Grösse
Golden erfunkeln.

 

A. de Nora (1864-1936) Pseudonym für Anton Alfred Noder, deutscher Arzt und Dichter

 

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He Meister

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

He Meister, ich habe grausame Langeweile und weiss gar nicht, was machen, und da habe ich gedacht, ich wolle etwas zur Gesellschaft. Aber ich weiss nur an einen Ort hin und weiss, wie es da geht, wie ich davon komme, das aber weiss ich nicht. Da dachte ich, es sei besser, daheim zu bleiben. Aber was soll ich daheim machen? Ins Bett mag ich nicht, im Stall ist es mir auch verleidet und ums Haus herum geht der Bisluft, es einem fast die Knöpfe ab den Kleidern nimmt, so dass es mich wegtreibt und gar nicht zu Hause dulden will. Meister, was soll ich machen?

 

Jeremias Gotthelf (1797-1854) Schweizer Pfarrer und Schriftsteller
Aus «Leiden und Freuden eines Schulmeisters»



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Winter

 

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Weg und Wiese zugedeckt,
Und der Himmel selbst verhangen,
Alle Berge sind versteckt,
Alle Weiten eingegangen.

Ist wie eine graue Nacht,
Die sich vor den Tag geschoben,
Die der Sonne glühe Pracht
Schleierdicht mit Dunst umwoben.

Oder seid ihr alle tot:
Sonne, Mond und lichte Sterne?
Ruht das wirkende Gebot,
Das euch trieb durch Näh und Ferne?

Leben, lebst du noch ringsum?
Sind verschüttet alle Wege?
Grau und eng die Welt und stumm.
Doch mein Herz schlägt seine Schläge.

 

Otto Julius Bierbaum (1865-1910) deutscher Journalist und Schriftsteller

 

 

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Der Hund im Schafspelz

Foto Brigitte Fuchs

 

 

Es holte sich der Bernhardiner
beim Kürschner einen Schafspelzrock.
Ich tarne mich als Wollschafbock,
so dachte er, der Erzschlawiner.

Erscheint der Wolf vom nahen Tann
und beisst sich fest in meinem Fell,
kommt es vermutlich zum Duell
und jeder kennt den Ausgang dann.

Und so geschah es auf der Weide.
Es kämpften tapfer Wolf und Hund.
Doch schliesslich waren beide wund.
Und schlauer waren sie auch beide…

 

Brigitte Fuchs

 

Foto Brigitte Fuchs

 

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Winterlied

Fotos Brigitte Fuchs: Barmelweid am 14. Januar 2024

 

Das Feld ist weiss, so blank und rein,
Vergoldet von der Sonne Schein,
Die blaue Luft ist stille;
Hell, wie Kristall
Blinkt überall
Der Fluren Silberhülle.

Der Lichtstrahl spaltet sich im Eis,
Er flimmert blau und rot und weiss,
Und wechselt seine Farbe.
Aus Schnee heraus
Ragt, nackt und kraus,
Des Dorngebüsches Garbe.

Von Reifenduft befiedert sind
Die Zweige rings, die sanfte Wind‘
Im Sonnenstrahl bewegen.
Dort stäubt vom Baum
Der Flocken Pflaum
Wie leichter Blütenregen.

(…)

 

Freiherr Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834) Schweizer Dichter
Die ersten drei von sieben Strophen seines Gedichtes „Winterlied“

 

Fotos Brigitte Fuchs: Barmelweid

 

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Anagramm-Zweizeiler 590 und 591 plus Zwischenzeile

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

STACHELIGER MORGEN:

RECHT ARMSELIG, EGON!

Denn:

GEORGE STACH MERLIN.

Aber:

LESERIN MACHTE GROG.

EGON REIMT SCHLAGER.

 

Brigitte Fuchs

 

 

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Winterbild

Foto Brigitte Fuchs

 

 

In meinem Zimmer ein paar frische Blumen,
Die allen Wintermissmut mir vertreiben.
Ein Vöglein pickt vor meinem Fenster Krumen
Und guckt dabei zutraulich durch die Scheiben.

In Stroh und Bast die Bäume eingeschlagen,
Damit der strenge Frost sie nicht berühre,
Die Beete wohl verwahrt vor kalten Tagen –
Und, blossen Haupts, ein Bettler vor der Türe.

 

Hedwig Lachmann (1865-1918) deutsche Schriftstellerin, Dichterin und Übersetzerin

 

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Begegnung

Fotos Brigitte Fuchs: Skulptur „Begegnung“ von Rolf Brem vor der Gemeindeverwaltung in Suhr/AG

 

 

(…)

Ich hatte dir so viel zu sagen,
Du Jugendfreundin, mir so lieb,
Ich hatte dich so viel zu fragen,
Die Zeit gebot, es unterblieb.
Vielleicht, dass wir uns wiederschauen
Auf wechselvoller Pilgerbahn,
Dann knüpfen Achtung und Vertrauen
Das Band der Freundschaft wieder an.

(…)

 

 

Ludwig Bechstein (1801-1860) deutscher Schriftsteller, Bibliothekar und Archivar
Die fünfte von sieben Strophen seines Gedichtes „Begegnung“
Aus der Sammlung „Vermischte Gedichte“

 

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Ins Gästebuch

Fotos Brigitte Fuchs

 

 

Wie schön dass es noch weisse

Landstriche gibt in unserer Vita ein

Zuckerschlecken ist das die Chance

im Bild zu sein über allen Gipfeln

die Fragen die Antworten unter sich

(die Faust im Sack eine Taube) & auf

dem Dach nichts als der Konjunktiv

 

 

 

Brigitte Fuchs
Aus „Handbuch des Fliegens“ Gedichte, edition 8, Zürich 2008

 

 

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